Als die Römer frech geworden
Schwaches Stück - gut gespielt
Römer und Germanen bei der Schleswiger Speeldeel
Walter A. Kreye ist - neben August Hinrichs und dem Flensburger Jens Exler - einer der bekanntesten plattdeutschen Autoren. Er hat eine ganze Reihe von niederdeutschen Theaterstücken geschrieben; alle sind lebensnah gestaltet, und stellen Typen auf die Bühne, die aus dem Alltag gegriffen sind und den ursprünglichen Menschen widerspiegeln. Die Schleswiger Speeldeel hatte sich Kreyes neues und etwas eigenwilliges Stück »Als die Römer frech geworden…» für Ihre letzte Premiere in Schleswig vorgenommen, und es wurde – für die Schauspieler - ein achtbarer Erfolg
Das Stück selbst hat große Schwächen. Die Exposition ist nicht klar genug, die Spannungskurve ist zu uneinheitlich, an Handlung bietet sich nicht viel an. Hübsch allerdings der Einfall, mit Hilfe einer imaginären ‚Zeitmaschine‘ einen Professor in das Jahr neun nach Christus zu versetzen, damit er nun endlich herausfinden kann, ob die Schlacht im Teutoburger Wald wirklich stattgefunden hat oder nicht. Daß der Professor am Schluß jedoch genau so klug war wie zuvor, wußte Werner Jungiohann in gewohnter Souveränität glaubhaft darzustellen. Er stellte in überzeugender Weise den wißbegierigen, bisher enttäuschten Wissenschaftler dar, der endlich an das Ziel seiner Wünsche gekommen zu sein glaubte - und dann doch nicht sicher sein kann.
Uwe Petersen hatte die Zuschauer, die das Theater nicht ganz füllten, herzlich begrüßt. Er teilte mit, daß die Schleswiger Speeldeel am Stadtfeld ein neues Domizil bekommen habe, wo nun Probenarbeit und Gemütlichkeit zu Hause seien. Mit dem Stück „Als die Römer frech geworden…“ wird die Speeldeel im Herbst nach Holland reisen.
Regie führte - . zum ersten Mal - Hauke Stieger. Er ließ in einem flotten Tempo spielen und kehrte die Charaktere deutlich hervor. Hüten sollte er sich doch vor der Gefahr des Klamauks, die dieses Stück in starkem Maße mit sich bringt. Der römische Badeanzug, die Kampfszene, die Spritze - alles das sind Dinge, die hart an der Grenze liegen. Sicherlich will das Publikum unterhalten werden, aber die Freunde der plattdeutschen Sprache haben besseres verdient als geistlose Gags.
Die Schauspieler gaben ihr Bestes - wie immer. Der Wotan von Karl Walter konnte durchaus überzeugen. Er machte glaubhaft, wie er im Schnittpunkt zwischen seiner eigenen Allmacht und dem Schicksalsspruch der drei Nornen steht, wie er auch im heraufkommenden Christentum seine „Götterdämmerung“ herannahen spürt, und wie er doch dem „Perfesser“ zur Klarheit verhelfen will. Volker Schwarz verkörperte Hermann den Cherusker, den unheldischen Helden, der nichts vom Kriege hält und mit seinem Wissen seiner Zeit weit voraus ist. Er füllte seine Rolle aus und wußte zu überzeugen, wenn er zwischen den Plänen seiner Frau und der Vernunft hindurch lavieren mußte! Seine Thusnelda, ein rauher Besen, wurde von Erika Larssen dargestellt. Sie holte viel aus der Rolle heraus und war zufrieden, als am Schluß - auch ohne Hermannsschlacht - ihre Sucht nach Ruhm befriedigt war. Ihre beiden Kinder Thora (Heidi Misfeldt) und Ingo (Wolfgang Preuß) hatten die schwierige Aufgabe, zwischen Vater und Mutter zu stehen und doch eigene Persönlichkeiten zu sein. Jeder auf seine Weise wurde dieser Anforderung gerecht.
Ihre römischen Gegenspieler Varus (Rüdiger Schulz) und dessen Sohn Ventidius (Rainer Buck), die nur hochdeutsch konnten und das heimatliche Plattdeutsch der Cherusker noch nicht gelernt hatten, standen ihren Mann sowohl beim Trinken, beim Fechten, beim Lieben und beim Monopoly- Spielen. Herwig Jürgensen spielte den Egbert, eigentlich einen Verräter, der aber sicher zu dumm war, daß er sich als solchen erkannte. Herrlich behämmert in der Szene, in der er Thora seine Liebe offenbaren will! Berta und Gertrud waren zwei Ger manenmädchen auf dem Hofe Hermanns, von Heike Vollstedt und Karin Jacobsen treffend dargestellt.
Eine zuverlässige „Toseggersch“ war Hanne Petersen; Technik und Bühnenbild lagen bei Jürgen Dau und Andreas Otto in guten Händen; den Teutoburger Wald hatte Karl Teckenburg liebevoll gemalt.
Gelegentlich war das Publikum etwas ratlos: die Pause lag so früh, daß noch keiner sie vermutete, und vor der letzten Szene glaubte man, es sei schon zu Ende. Es ist gut, wenn einmal etwas anderes als die gewohnten Volksstücke gespielt wird, aber ob die Speeldeel mit diesem Stück selbst zufrieden war? — Am Schluß gab es wie immer Beifall und Blumen.
Reimer Pohl
Schleswiger Nachrichten, 18.4.1978
Ein Versuch, einmal etwas
ganz anderes zu bieten
Schleswig. „Als die Römer frech geworden ..." Wer denkt dabei nicht an das frisch-fröhliche Studentenlied ... Und so begann die Aufführung der Komödie von Walter A. Kreye durch die Schleswiger Speeldeel auch mit einer Plattenwiedergabe dieses Liedes, um mit derselben Melodie mit Blick auf das beifallumrauschte Ensemble der sich verneigenden Akteure zu enden. Uwe Petersen erwähnte in seinen Begrüßungsworten die beglückende Tatsache, daß die „Speeldeel" nun in der Reiferbahn eine neue Heimat gefunden habe, um unter günstigeren Verhältnissen als bisher proben zu können.
Und dann wurde man ruckartig zurückversetzt in das Jahr 9 nach Christus in den Teutoburger Wald, in den „Teutebusch", und auf die Spuren der eindringenden Römer in Germaniens Fluren. Hauke Stieger als Regisseur hatte den Altertumsprofessor (Werner Jungjohann) in die Mitte dieser Forschungskomödie gestellt, in der es um die Frage geht, ob die Schlacht im Teutoburger Wald stattgefunden hat oder nicht.
Von enormer Wirkung waren die liebevoll hergestellten und drapierten Kostüme, vor allem der Damen. Berta (Heike Vollstedt) und Gertrud (Karin Jacobsen) wirkten vom Kostüm her ebenso enorm wie Heidi Mißfeldt als Thora und Thusnelda (Tussi) mit Erika Larssen. Freilich war es doch recht gewagt, diese „Damen" mit dem bei uns geläufigen heimatlichen Jargon in Einklang zu bringen. Das Publikum war hell begeistert über die Kostümierung der ihnen so vertrauten Spieler wie Wotan (Kalli Walter), Hermann der Cherusker (Volker Schwarz), Ingo (Wolfgang Preuß) und Egbert (Herwig Jürgensen). Daß man die „frech gewordenen Römer" Varus (Rüdiger Schulz) und den Sohn Ventidius (Rainer Buck) hochdeutsch agieren ließ, war von der Regie her gut durchdacht. Jürgen Dau und Andreas Otto hatten sich um ein zeitgerechtes Bühnenbild mit Fellen, Kiefernholz und Waffen bemüht.
Im Ganzen gesehen war diese Komödie ein Versuch, einmal etwas ganz anderes zu bieten als die sonst in niederdeutschen Bühnen üblichen schwankhaften Stücke. Freilich rnußte man sich Mühe geben, stellenweise nicht den Eindruck zu haben, daß man nicht weit von der Klamotte entfernt war. Jedenfalls waren Spieler und der größte Teil der Zuschauer in bester Laune, das zeigte der starke Szenenapplaus und der Blumenregen am Ende.
Elfriede Kollmann
Schleswig-Holsteinische Landeszeitung, 19.4.1978