De Deern is richtig
Die resolute Antje sorgt für Ordnung
„De Deern is richtig“ / Premiere der Schleswiger Speeldeel vor ausverkauftem Haus
Die diesjährige Theatersaison begann die Schleswiger Speeldeel mit dem Lustspiel „De Deern is richtig“ von Anton Hamik in einer Bearbeitung von Annemarie Dienesen. Das geduldige Publikum hatte Verständnis für den verzögerten Spielbeginn, da man bemüht war, trotz ausverkauftem Haus nicht besetzte Plätze wenigstens an einige der vielen an der Kasse wartenden Interessenten zu vergeben.
Annemarie Dienesen war es wieder einmal gelungen, mit geschickter Hand die einzelnen Charaktere zu einem guten Team zusammenzustellen. Hans-Uve Hansen und Jens Larssen spielten die pinnigen Fuuljacks von Anfang an glänzend. Obwohl ihr Hof dringend einer ordnenden Hand bedarf, empfindet das Publikum echtes Mitleid mit den beiden Schlawinern, die es geschickt verstehen, sich an jeder Arbeit, jedem Denken, jeder unnötigen Geldausgabe und vor allem jeder schnellen Bewegung vorbeizudrücken. Doch nun soll plötzlich alles anders werden. Statt des bisherigen Lotterlebens sollen Ordnung, Sauberkeit und Fleiß auf dem Hof einkehren. Als neue Magd Antje übernimmt Anne Schmidt freundlich, aber bestimmt das Regiment. Zunächst wirkt sie zwar noch etwas leise und unsicher auf der Bühne; von Satz zu Satz wird sie je doch überzeugender.
Das Stück enthält — und dies ist leider längst nicht bei allen niederdeutschen Stücken der Fall — von Anfang an eine gewisse Spannung. Was mag diese resolute und dennoch warmherzige Antje dazu bewogen haben, für einen geringen Lohn ihre ganze Kraft einzusetzen, aus diesem heruntergewirtschafteten Hof einen Musterbetrieb zu machen? Die Deern hat nicht nur gegen die spleenigen Brüder anzukämpfen, sondern auch gegen deren Schwester Male (Karin Jacobsen), die den Hof vorzeitig für ihre Tochter Sanna (Dörte Brügmann) übernehmen möchte. Um ihr Ziel zu erreichen, agiert Male listenreich gegen ihre Brüder. Karin Jacobsen vertritt glaubhaft die hinterhältige, rappelschnutige Schwester. Hinnerk (Rainer Buck), der ehemalige Knecht und jetzige Steuermann kehrt zurück, um seine heimliche Verlobte Sanna zu heiraten. Das Liebesglück der beiden wird durch die zänkische Male zunächst beeinträchtigt, da sie für ihre Tochter einen reichen und tüchtigen Bauern sucht. Rainer Buck und Dörte Brügmann brachten mit viel Schwung und Natürlichkeit ihre Rollen als jugendliche Liebhaber auf die Bühne.
Der dritte Akt spielt ein Jahr später. Sauberkeit, Ordnung und Wohlstand sind dank Antjes Wirken auf dem Hof eingekehrt. Das Publikum spürt den Umschwung in der gelungenen Dekoration (Konrad Hansen), der Stimmung der Darsteller und den schwungvollen Bewegungen auf der Bühne. Das Auftauchen des Feriengastes Dr. Ruhland (Werner Jungjohann) löst das Rätsel um die Magd Antje. Er, selber Hofbesitzer, hatte seiner Schwiegertochter zur Bedingung gestellt, diesen verlotterten Hof wieder auf Vordermann zu bringen; denn nur so könnte und wollte er den eigenen Hof an seinen Sohn überschreiben. Werner Jungjohann, dieses Mal in einer hochdeutschen Rolle, meisterte auch diese Schwierigkeit gekonnt. Ein Telegramm identifiziert die Magd Antje als Schwiegertochter des Dr. Ruhland. Die Brüder können wieder fischen gehen, da Hinnerk ihren Hof verwalten wird, und Male resigniert; denn „dor licht de Knüppel bi de Hund“. Das Gelingen der Aufführung ist nicht zuletzt der sicheren Toseggersch Anja Hansen zu verdanken.
Das Publikum honorierte die gelungene Aufführung mit viel Szenen- und Endapplaus.
Schleswiger Nachrichten, 25.10.1979
Rauschender Beifall für
"De Deern is richtig"
Schleswiger Speeldeel hatte ein volles Haus
Schleswig. Es ist kaum zu glauben: Was ein „übliches" Theater nicht schafft, das erreichten die „Niederdeutschen"! So konnte Werner Jungjohann im Namen der „Speeldeel" im Schleswiger Stadttheater ein „übervolles" Haus begrüßen. Das beifallsfreudige Publikum folgte mit Spannung den Ereignissen, die das Lustspiel „De Deern is richtig" von Anton Hannik auf der Bühne brachte. Es ist wohl nicht zuletzt der Bearbeitung des „alten Theaterhasen" Annemarie Dienesen zu verdanken, daß alles so „ankam".
Da wurde spritzig und mit Schwung diese „Story" von den beiden faulen Brüdern auf dem verkommenen Bauernhof geschildert, in deren Transusigkeit die resolute Deern wie ein Blitz einschlägt. Ein wahres Traumpaar von solchen Brüdern waren die echt kostümierten „Fuuljacks" Klaus und Piet Schnack (Jens Larssen und Hans-Uve Hansen). Nicht umsonst entfesselten sie Beifallsstürme, nicht nur ihre Sprachpassagen sind zu loben, sondern auch die Gestik und das stumme Spiel.
In nichts nach stand ihnen ihre „sabbelige" Schwester Male („scharp op den Hof un mit een dolles Mundwark, wat das Beste an ehr weer!"). Karin Jacobsen gab damit ein kleines Kabinettstück ihres Könnens! Ihre Tochter Sanna, dargestellt von Dörte Brügmann, spielte sich von Bild zu Bild immer mehr in ihre Rolle hinein und war am Schluß wahrhaft begehrenswerte Braut ihres Steuermanns Hinnerk, dem Rainer Bück gutes Format gab und dem man das Idiom eines „Nichtplattdeutschen" kaum anmerkte. Werner Jungjohann mußte sich diesmal mit der hochdeutschen Kavaliersrolle des Advokaten Dr. Ruhland begnügen, der er sich mit etwas Geschraubtheit entledigte.
Und nun zu der „Deern", forsch, zielstrebig und gewandt stellte sie sich dieser selbstgestellten Aufgabe, den verlodderten Hof wieder hochzubringen, damit sie ihrem (nicht genannten) Mann beweisen konnte, daß sie in der Lage sei, einen Hof zu bewirtschaften. Daß dieser „Mann" nun gleichzeitig der Sohn des Advokaten war, wodurch sich reizvolle Verwicklungen ergaben, war dichterische Freiheit des Autors. Eingeübt von Annemarie Dienesen, mit der Technik von Konrad Hansen und der „Toseggersch" Anja Hansen, rollte ein turbulentes Spiel in der mit allen nur erdenklichen Requisiten ausgestatteten Wohnstube der Brüder Schnack ab. Mit rauschendem Beifall wurden viele Blumen überreicht und die angekündigte Wiederholung im November hat es verdient, ein ebenso „mitgehfreudiges" Publikum zu haben. Jens Larssen aber, der im Programmheft noch besonders vorgestellt wurde, hat bewiesen, daß er jeder plattdeutschen Aufgabe gewachsen ist.
Elfriede Kollmann
Schleswig-Holsteinische Landeszeitung, 27.9.1979