Bahnmester Dood
Spiel um Leben und Tod, um Schuld und Gewissen / Horst Seegebarth führte Regie
Speeldeel-Aufführung mit „Tiefgang“
Ein Spiel um Leben und Tod, Schuld und Gewissen — kann man das überhaupt auf die Bühne bringen? Es ist nur möglich, wenn man ‚Spiel‘ nicht als “spielerisch“ auffaßt, sondern als Wiedergabe, Aufdeckung. Das hatte die Schleswiger Speeldeel vor Augen, als sie das Drama “Bahnmester Dood” von Hermann Bossdorf auf den Spielplan setzte.
Und es ist der Speeldeel rundherum gelungen: es war eine beeindruckende, tiefgehende Aufführung, die die Zuschauer betroffen machte und noch lange nachwirken wird. Schon die Begrüßung durch Olly Gröning war herzlich, aber auch nachdenklich! Zum “Tiefgang” trug auch die Regie von Horst Seegebarth bei, der die Schauspieler in diesem Spiel um Schuld und Eifersucht in aller Breite ausspielen ließ. Wem so die „lange Leine” gelassen wird, der muß selbst eine Menge an Intensität und Überzeugungskraft bringen — die vier Schauspieler taten das! In erster Linie ist Anja Schmidt zu nennen, die die “Stine” spielt. Sie zeigt als Frau des Bahnwärters zunächst die. freundliche Schale, bis sie sich mehr und mehr zu erkennen gibt und schließlich in den Quälereien, Sticheleien und Vorwürfen ihrem Mann nicht nachsteht
Und auch Im Plattdeutschen können ständige „Pisakerien” weh- tun! Ihrem Mann, dem Bahnwärter, gibt KaIli Walter lebendiges Profil. Zunächst scheint er unnötig hart zu seiner Frau zu sein, dann aber ist er großartig in seiner Wandlungsfähigkeit: mal der auftrumpfende Herr im Haus, der ebenfalls in der Wortwahl nicht pingelig ist. Dann wird er aber von Gespenstern geplagt und ist zum Schluß so “erledigt”, daß ihm nur der Freitod bleibt.
Beide Schauspieler brauchen den Vergleich mit Profis nicht zu scheuen. Die „Botterfru“ Meiersch spielt Ingid Back; auch sie voll überzeugend in ihrer Neugier und Klatschsucht. Und man kann Ihr gar nicht böse sein, bringt sie doch eine Menge an Lebensweisheiten über die Rampe. In Sprache, Mimik und Gestik wie auch an Intensität bietet sie eine große Leistung! Das ist auch von Werner Jungjohann zu sagen, der den “Ohm Holtvaagt“ mit Leben und Kraft versieht.
Er versucht, zwischen Schuld und schlechtem Gewissen auszugleichen, aber vor soviel Bosheit und Eigensucht muß er kapitulieren. “Wokeen mit de Düvel speelt, de mutt de Höll in Koop nehm” — bei allen vier Schauspielern war bewundernswert, wie im Laufe des Stückes der Charakter und die Motive des Handelns deutlich wurden.
Die ProblematIk — ein voreheliches Kind — ist in dieser Form nicht mehr aktuell, wohl aber das Böse im Menschen, das sich stets den anderen Menschen als Opfer sucht. Von daher also eine sehnswerte Aufführung, an der ebenfalls Alfred Christians (Bühnenbild und Technik), Heike Walter (Masken und Souffleuse), Gisela Erichsen und Bärbel Jöns (Requisiten) und Reinhard Huxhold (Ton) ihren Anteil haben.
REIMER POHL
Schleswiger Nachrichten