Johannisfüer
“Johannisfüer”-Premiere begeisterte Publikum
Speeldeel: Ernsthaftes Stück auf platt glaubhaft dargestellt
SCHLESWIG
Auch ernsthafte und problemgeladene Inhalte können von der plattdeutschen Bühne glaubhaft und wirkungsvoll wiedergegeben werden. Diesen Nachweis erbrachte die Schleswiger Speeldeel am Sonnabend bei der Premiere ihres ersten Stückes in der neuen Spielzeit. Mit Hermann Sudermanns „Johannisfeuer", von Heide Tietjen ins Plattdeutsche übertragen, haben die Darsteller ein anspruchsvolles Schauspiel glänzend bewältigt. Im ausverkauften Landestheater verfolgten die Zuschauer die Leistungen in stets angespannter Erwartung.
Uwe Petersen hatte vor Beginn der Vorstellung, wie immer „op platt", die Besucher auf Sudermann hingewiesen, der das Stück mit 43 Jahren im Jahr 1900 geschrieben hatte. Der Inhalt, von Ibsen und Hauptmann beeinflusst, wurde stark beachtet, und sieben Mal wurde das Werk verfilmt, einmal sogar in Mexiko.
Die umgeschriebene Fassung „Johannisfüer" wird aus ursprünglich litauisch- memelländischem Umfeld ins Dithmarscher Land übertragen und spielt 1870 auf einem Gut. Trude, die Gutsbesitzerstochter, ist verlobt mit Georg, der liebt allerdings Rieken, die Tochter einer Zigeunerin, die auch vom Vikar umschwärmt wird. In der Johannisnacht werden verschiedene Gefühle und Hoffnungen freigesetzt, die aber mit dem Erlöschen des Feuers jäh zerrinnen.
Hauke Stieger hat sich bei seinen Regieanweisungen stets an das Sudermann Vorbild gehalten und die dramatischen Spannungsbögen bis zum tragischen Ende des Stückes durchgezogen. Bühnenbild und Kostüme wurden der Situation von damals gerecht. Die ausgewählten Laienschauspieler erfüllten die ihnen zugedachten Rollen und haben diese sogar enorm verinnerlicht.
Alfred Christians als Gutsbesitzer Klaasen verkörperte die gesellschaftlichen Normvorstellungen jener Zeit, Elke Meifort als seine Frau ihm willig untertan, in beider Abhängigkeit Waltraud Heutmann als Mamsell. Gerhard Hoppmann als Inspektor Platz zeigte in seinem Spiel den geforderten Untertanengeist. Im spannungsgeladenen Beziehungsspiel zwischen Trude, Georg, Rieken und Vikar Haffke wurden dramatische Abläufe gekonnt nachempfunden. Reinhard Huxhold spielte den Vikar mit Würde, bei seiner Zuneigung zu Rieken aber auch engagiert. Die oft ahnungslose Trude wurde von Petra Utermann glaubhaft dargestellt, Kai Boysen spielte ihren Verlobten Georg, der sich innerlich immer noch zu Rieken hingezogen fühlt. Der Situation wurde Ute Renkhoff als Rieken voll gerecht: Freude und Traurigkeit, Hoffnung und Verzweiflung konnte sie überzeugend vermitteln und daneben in angemessener Weise ihrer Mutter begegnen, die, von Gerda Jonas gespielt, als Zigeunerin das Diabolische in der Johannisnacht symbolisierte.
Genau 100 Jahre nach der Uraufführung im Berliner Lessingtheater haben die Darsteller der Speeldeel die dramatischen zwischenmenschlichen Abläufe in unser sprachliches Umfeld übertragen, schauspielerisch hervorragend gemeistert und wurden zu Recht mit anhaltendem Beifall belohnt.
Hansjürgen Buyken
Schleswiger Nachrichten, 13.11.2000