De 50. Geburtsdag
Zum „Fünften": „De 50. Geburtsdag"
Premiere der Schleswiger Speeldeel im Stadttheater
Annemarie Dienesen, Ute Weiß
Die Besucher im vollbesetzten Saal des Schleswiger Theaters waren bereits vor Beginn der Vorstellung in bester Stimmung: Jubiläumsaufführung zum fünfjährigen Bestehen der Schleswiger Speeldeel, Jubiläen Mitwirkender und dazu ein „runder" Geburtstag als Inhalt des Stückes - das machte Laune. Ein origineller Auftakt ließ denn auch sogleich Beifalls- und Lachsalven losbrechen. Zwei Akte lang ging es ruhiger zu, bis der dritte wieder lautstarken Widerhall fand. Blumen gab es die Fülle.
„De 50. Geburtsdag" von Wilfried Wroost scheint sich für einen besonderen Anlaß, wie er vorgestern war, gut zu eignen: 20 Inszenierungen, 30 Rollen und 40 Bühnenjahre Annemarie Dienesens - da bietet sich wohl ein Titel mit der Zahl „50" wie von selber an. Dazu noch ist es im Stück eine Fischhändlerin, die das halbe Hundert feiert. Freilich geht Annemarie Dienesen nicht frühmorgens um 5 Uhr auf den Altonaer Fischmarkt, wie es die Doris Söbenstern tut, und sie hantiert mit einem Prachtexemplar von Dorsch auch bestimmt anders als Doris. Doch hat sie im täglichen Leben bekanntlich ähnliches zu beschicken wie ihre „Kollegin". Bei so enger Tuchfühlung zwischen Spiel und Wirklichkeit springen mit vergnüglichem Knistern viele Fünkchen. Nimmt man indessen das Stück an sich, so muß man doch sagen, daß es nicht eben zu den besten gehört. Die Phantasie des Verfassers reicht nicht aus, die elf Rollen prall mit Leben zu füllen, und das für plattdeutsche Stücke große Aufgebot an Darstellern ist auch der Handlung eher abträglich als nützlich: Alle elf sind nie zusammen auf der Bühne. Ferner „knallt" auch der netteste Schlußeffekt nicht mehr recht, wenn er schon drei Akte lang Zündstoff geliefert hat. Trotzdem gibt es Spaß über kernige Schnäcke und komische Mißverständnisse. Auch das Gemüt kommt nicht zu kurz.
Annemarie Dienesens Inszenierung stand auf soliden Beinen; jeder wußte, was er zu tun hatte, und hielt sich daran. Vielleicht hätten sich schwächere Stellen des Textes kräftiger beleben lassen. Dafür blieb bei der Doppelbelastung von Regieführung und Darstellung wohl nicht genügend Zeit. In ihrer Rolle als .geplagtes Geburtstagskind war Annemarie Dienesen in Hochform: Abgerackert in deftiger Arbeitskluft, entspannt in festlichem Aufputz - so beherrschte sie mit flinkem Mundwerk und rechtschaffener Herzhaftigkeit die Bühne. Der zweite Jubilar des Abends, Werner Jungjohann, bewährte sich in seiner Rolle als kurzgehaltener Ehe- und Geschäftsmann Julius Söbenstern. Prächtig war sein Schlußauftritt.
Die anderen Mitspieler bemühten sich, jeder auf seine Weise, nach Kräften mitzumachen. Dabei kam das Zusammenspiel manchmal zu kurz. So konnte man dem jungen Paar Anni (Helga Schlüter) und Max (Jens Larssen) nicht die schnell aufflackernde Verliebtheit glauben, obgleich beide Spieler sich sonst gut hielten. Die frische kleine Renate Hansen hatte in der dramaturgisch überflüssigen Rolle des Hausmädchens kaum Gelegenheit zu zeigen, was in ihr steckt. Auch Jürgen Joost (Hinrich Kniep) kam nicht recht zum Zuge und mußte es bei netten Ansätzen belassen. Gerd Peters hatte als werdender Vater verständnisinniges Lachen auf seiner Seite; Diether Engelhardt belustigte als tapsiger Handelsvertreter. Ludwig Wulf wirkte als Geizhals Gülschow bereits durch seine Aufmachung; er spielte denn auch entsprechend. Hans Stuck (Glaser) erwärmte die Gemüter durch leisen Humor. Im Gegensatz zu ihm drehte Ute Weiß kräftig auf und entfesselte so als „männermordende" Xanthippe und als überkandidelte Besitzbürgerin Hermine wahre Lachstürme. Trotzdem wünschte man sich bei ihr auch ein paar gedämpftere Töne. Allerdings hatte Ute Weiß es nicht leicht, da sie eine Frau spielte, die rund zwanzig Jahre älter zu sein hatte als sie es ist. Gerd Peters betonte in seinen Bühnenbildern geschickt den Unterschied zwischen schlichtem Wohnen und aufgedonnerter „Heimgestaltung".
M. Lorenzen
Schleswiger Nachrichten 29.11.1966