Kruut gegen den Dood
Ungewöhnliche Speeldeel-Premiere
Heitmanns "Kruut gegen den Dood" mit K.H. Herrmanns Musik
im Schleswiger Theater
Der Schleswiger Speeldeel glückte am Sonntagabend ein Wagnis: Im gutbesuchten Stadttheater fand die Premiere des ernsten Stücks "Kruut gegen den Dood" Anklang. Dieser Erfolg war nicht vorauszusehen gewesen, weil zahlreiche Freunde plattdeutscher Theaterstücke auf Vergnügliches eingeschworen sind. Umso mehr verdient die Speeldeel Anerkennung für ihren Mut und ihre Entscheidung, einmal den in vielfacher Hinsicht schwereren Weg zu gehen. In dem Heitmannschen Märchenspiel kommen die Herztöne des Plattdeutschen zum Klingen, die stärker noch als Komik die Liebe zur heimatlichen Sprache begründen. Hans Heitmann hat Sinn für die feinen Schwingungen, und er kann sie unverfälscht aufzeichnen. Die Schleswiger Speeldeel wurde dem Stück gerecht, die Regie und das Spiel einiger Mitwirkender lagen über dem Niveau einer Laienbühne. Der Zauber alter Volksweisen wirkte nach in der Musik, die Karl Helmut Herrmann für die Aufführung komponiert und von der Orgel auf Band, gespielt hatte.
Heitmanns Bilder aus einem alten Märchenbuch gehen auf das Märchen vom Gevatter Tod zurück: Der Tod schenkt dem Doktor, seinem Patenkind, ein sicher heilendes Kraut, der Doktor muß versprechen, seinem Paten die Entscheidung zu überlassen, ob der Kranke genesen dürfe. Im Märchen der Grimm'schen Sammlung bricht der Doktor von sich aus den Vertrag, um am Königshof Ansehen zu gewinnen, er hofft dabei auf Nachsicht seines Gevatters. Das Bühnenstück "Kruut .gegen den Dood" hat mehr Tiefgang. Hier ermuntert der Teufel zum Vertragsbruch, und, der Doktor widersteht der Versuchung, für Geld und Ruhm den Tod zu überlisten. Nur die Liebe zu Frau und –Kind ist stärker als Vertragstreue. Heitmann hat bei der Neugestaltung des alten Themas vorbildlich den Märchencharakter beibehalten. Wie eindringlich sein Plattdeutsch ist, hat die Aufführung gezeigt, und der Eindruck wird bestätigt bei der Lektüre des hochdeutschen Märchens.
Annemarie Dienesen hat bei ihrer Regie ein ungewöhnliches Pensum geschafft: Vierzehn Rollen waren zu besetzen, sechzehn "Bilder" zu gestalten. Die richtigen Darsteller hatte sie in dem offenbar großen Kreis der Speeldeel-Mitglieder: Freunde der Bühne gingen ihr bei den komplizierten technischen Aufwendungen zur Hand. Reinhard Harder (Ton) und Gerd Roß (Beleuchtung) haben ausgezeichnet gearbeitet. Von Trotila Krüger stammte das ungewöhnliche Bühnenbild: Drei große Dreikantprismen mit Kohlezeichnungen an zwei oder drei Seitenflächen. Die jeweils verwandten Schauseiten waren Hintergrund für Szenen in Wald und Moor, in Garten und Innenraum. Beim Umstellen der Prismen auf offener Bühne geriet die gute künstlerische Absicht manchmal in Konflikt mit der praktischen Seite, weil die Arbeit eine totale Verdunkelung der Bühne nicht zuließ. Annemarie Dienesen hatte die Kostüme der Darsteller dem Charakter des Stückes angepaßt: gut war die Idee, den Teufel unauffällig auszustatten.
Alle Darsteller spielten in Einklang mit dem Märchen; einzig die Spielleiterin hatte über die Fülle anderer Pflichten wohl versäumt, sich in die Rolle der todkranken, erschöpften Senatorenfrau einzufühlen. Besser als pathetische Sprache und kunstvolle Frisur wären brüchige Stimme und graue Haarsträhnen gewesen. Werner Jungjohann (Senator) spielte ohne Rücksicht auf private Vorbehalte einen beklemmend arroganten.Egoisten. Annemarie Daniel, äußerlich zu hübsch für die Rolle einer abgehärmten Mutter von dreizehn Kindern, spielte gut. Sie und Peter Balzer (Vater) weckten vom ersten Bild an die Teilnahme des Publikums, die während der ganzen Aufführung anhielt.
Gevatter und Pate, Hauptpersonen des Stückes, waren sehr gut besetzt. Volker Schwarz (Tod) wirkte gleich bei seinem Gespräch mit dem Vater nachhaltig durch Sprache und Spiel. Horst Jacobs (Doktor) schien geradewegs aus einem alten Märchen-Bilderbuch gekommen zu sein, so sehr glich er dem Urtyp des armen Jungen, der von übermächtigen Kräften gefördert und bedrängt wird. Auch Erich Matzen gab in der Rolle des Teufels dem Spiel starke Impulse; er beherrschte die verhangenen wie, die offenen Spielarten des Bösen. Die Stimme des Herrgotts griff wohltuend schlicht und ruhig in die Handlung ein.
Heidi Mißfeldt (Deern) und Ludwig Wulf (Tagelöhner) bescherten zusammen mit Jacobs dem Publikum eine besonders warmherzige Szene. Hildegard Clasen spielte die verstörte Magd des Senators, Margret Schnoor, die unaufdringlich sorgende Nachbarin der kranken Doktorsfrau. Herwig Jürgensen war ein energischer Gastwirt, Hauke Stieger ein Fährmann, dem das Entsetzen vor dem Tod in den Gliedern steckt. Karl Helmut Herrmanns Musik bereicherte das Bühnenspiel. Ein Flötenthema mit harten Pedaltönen begleitete den Tod; ruhige Akkorde, aus denen sich, ein heller Ton erhob, erklangen beim Einsatz der Herrgotts-Stimme, disharmonisch-wirres Laufwerk galt den Machenschaften des Teufels. Eine zarte, weit und frei schwingende Melodie hatte Herrmann der Liebe gewidmet, diese Melodie erklang in mehreren Variationen, und jedesmal beglückte sie die Zuhörer.
Margarete Lorenzen
Schleswiger Nachrichten, 23.10.1973
„Krut gegen den Dood"
Husum Eenmol in jeden Theaterwinter bringt de Husumer Besökerring een plattdütsche Opföhrung. Disse Opföhrungen sind för menni een meist Höhepunkte in ehr Theaterbesök wurrn. Dat is wat merkwürdiges um dat plattdütsche Theater. Dar lewt un speelt de Tokieker mit, dat Theaterstück geiht em veel deeper in. Dat is de Eegenort vun dat plattdütsche Theater. De Leitung vun den Besökerring verdeent grote Anerkennung, dat se dat plattdütsche Theater in ehrn Speelplan insluten deiht..
De Schleswiger Speeldeel is in Husum all goot bekannt. Mit ehr düchdig goodes Speel hett se all lang de Husumers wunnen. Wer freut sick nich noch hüt öwer de „hillige Grootmudder" vun verleden Johr? Dütmal nu bröchten se mal wat anners, een eernstes Stück. „Kruut gegen den Dood, Biller ut en ol Märkenbook" heet dat. Hans Heitmann hett dat na dat Märken vun den Gevatter Dood schreben, dat to unse schönsten Märken hört. Hans Heitmann, de plattdütsche Dichter ut Lübeck, is goot bekannt.
Wenn een Speeler so langsam seeker wurrn is op de Böhn, denn kummt bi em dat Verlangen, mehr to speelen, schworere Rullen, eernstere Stücke. Un so is dat keen Wunner, wenn de Schleswiger Speeldeel sick mal an dit Stück ranmaakt hett. Dat is een Opgaw för se, dor könnt de Speelers wat ut maken. Un dat hebbt se ook dahn. Un dat se dat richtig makt hebbt un dat dat goot bi de Lüd in den vullen Saal ankamen is, dat wieste de lange Bifall inne Paus un an' End vun den Abend.
Wenn Laienspeelers speelt, denn kann man nich seggen: „De weer goot un de weer slecht, un de kunn dit un de kunn dat". Ne, mit de Speelers op de Böhn holt se all tosamen, de dor inne Regen vor de Böhn sitten doht. Se freut sick mit, wenn een dat goot gelungen is und se bebern mit, wenn dor mal wat scheef geiht. Un ton Slus seggt se: „Dat weer een godes Speel, un wi hebbt dor veel Freud, an hatt!" Dat hebbt se dittmol ook seggt.
Wenn een bestellt is, dat Stück to kreteseern, denn geiht dat ünner plattdütsche Lüd so to: Denn deiht dat ni nödig, dat seggt warrt, dat de Senater un de Fru Senater, de Jung, de wat nöß de Dokter is, un de Leege besunners goot speelt hebbt un dat de Fährmann sien Rull bannig dramatisch un lebenni speelt hett. Dat weet wi, dat de doren goot speelen könnt, dat doht se all lang, un wi erwarten dat ook vun se. Awer wenn wat helpen sall, denn mut man seggen, wat de un de anner noch beeter maken kunn. Un so is wull meeni een in' Saal de Vadder vun dörtein Kinner meist to jung un to schüchtern un de Mudder dorto meist to söt un to jung vorkamen. Un se harrn ok alltomal geern een beeten lebenniger speelen kunnt, so mit Handschlagen un Bewegen, ton Bispill. Erschrecken, wenn de Herrgott spreeken deiht. Vun de klare Stimm vun den Herrgott harr man sick bi manchen Speeler een beeten wünscht.
De Husumer Böhn is man bannig slecht vun Akustik. Awers dor möt sick de Speelers op instelln, wenn se Erfolg hebben wüllt. Se möt na vörn snacken un ehr Gesicht wiesen. De Optritt un de Affgang hebbt se sick all licht maakt. Dat is op de groote Böhn ook ni so eenfach. Awers een son' Stück mit so veele Biller warrt to licht verdarft vun slechtes Optreeden. Alles, wat ick seggen wull, dat de, de wat man dat anmerken kunn, dat se no ni so lang dorbi sind, sick een beeten mehr Moot nehmen schulln. Dat duert ni lang, denn sind se ebenso fix äs de olen Speelers. Un denn, Junge, denn is de Schleswiger Speeldeel een Böhn, vun de man wiet un siet snacken deiht. Wi Husumers warrt sich freuen, se wedder to sehn.
Hans Seifert
Husumer Nachrichten