Junkie
Anspruchsvolle Rollen glaubhaft dargestellt
Foto: Speeldeel
SCHLESWIG Das Premieren-Stück der Speeldeel – „Junkie“ von Inge Debelts – fand in der A. P. Møller-Schule statt und lockte am Wochenede viele Besucher an. Mit dem Stück hat sich die Bühne einem hochakuten Thema und Problem zugewandt: dem Schicksal eines Drogenabhängigen. Nicht nur er selbst geht „vor die Hunde“, auch seine Umgebung – hier Mutter und Schwester – werden in das Leid hinein gezogen. Die anspruchsvolle Rolle der Mutter Niemann hatte Karin Jacobsen übernommen. Sie bewältigt die schwere Gratwanderung zwischen der liebenden Mutter und der strengen Erzieherin bestens. Einerseits ist sie voll von Mitleid und Nachsicht, andererseits kann sie ihrem Sohn durchaus hart, ja harsch gegenüber treten. Den Freund Padde des Drogenabhängigen, ebenfalls „Junkie“, spielt Hartwig Petersen. Auch er benimmt sich schauderhaft – eben sehr echt. Die Hauptrolle, den drogensüchtigen Axel Niemann, hat Jann Rothberg übernommen – er spielt sehr überzeugend. Er macht die unterschiedlichen Phasen des Drogenabhängigen deutlich: mal aggressiv, unverschämt und beleidigend, und wieder weinerlich, winselnd, zum Suizid bereit. Das nahm man dem jungen Darsteller bedenkenlos ab. Und dann das dramatische Ende: während Axel sich den letzten „Schuss“ setzt, bricht über ihn die Katastrophe herein. Alle Beteiligten wurden in den lang andauernden Beifall des Premieren-Publikums mit einbezogen.
Reimer Pohl
Schleswiger Nachrichten 16.1.2012
Ein “Junkie” auf der Speeldeel-Bühne
Die Fördermitglieder der Schleswiger Speeldeel hatten sich Stück über Drogenabhängigkeit ausgesucht / Die Premiere war ein Erfolg
Hartwig Petersen
Foto: Speeldeel
SCHLESWIG „Denn nimm de Schiet doch nich mehr!“ Es ist einer der Sätze, die hängen bleiben, wenn man das Stück „Junkie“ der Speeldeel erlebt. „Fru Niemann“ sagt ihn, mit einem dramatischen Flehen in der Stimme. Es geht darum, ihren Sohn Axel, ein heroinabhängiger Teenager, von der Droge loszulösen.
Gleich vorweg: der Versuch misslingt, Axel reißt alle Menschen in seinem Umfeld mit ins Verderben. Auf dem Weg dahin zeigten die fünf Darsteller der Speeldeel tolles Theater. Wie sah dabei eigentlich ihr Proben-Alltag aus?
Zum 50-Jahr-Jubiläum hatten die Fördermitglieder der Speeldeel sich drei Stücke aussuchen können, die bereits früher schon einmal gespielt worden waren – zwei Komödien und ein ernstes Schauspiel sollten dabei sein. Auf diese Weise kam „Junkie“ wieder ins Programm. Rund vier Monate haben Jann Rothberg als Axel, Karin Jacobsen als seine Mutter, Petra Utermann als Schwesetr Tanja, Hartwig Petersen alias „Padde“ und Carsten Peter als Hausmeister ihre Rollen dafür geprobt. Haben noch einmal hin und her überlegt, welche Sätze wann passen und wann eher stören. Welche Mimik und Gestik zu welcher Szene passen. Welche Kostüme, welche Schminke jeweils die richtigen sind: Jann hat eine kaputte Jeans, ein schmuddeliges T-Shirt und Jeansjacke an, trägt wirre Haare und ein bleiches Gesicht. Er ist die Hauptfigur, und er ist gut. Er reißt die Augen auf, wenn den Junkie etwas wütend macht oder Angst einjagt, er tobt herum auf der Bühne, er brüllt alle an, er schleudert Geschirr auf den Boden und zielt sogar mit einer Pistole auf die eigene Mutter.
„Junkie ist ein schwieriger Stoff, weil es eine ganz eigene, fremde Welt war für uns“, sagt Rothberg zu dem Stück. „Wie ist der Alltag eines Drogenabhängigen? Er ist todlangweilig, bis die nächsten Entzugserscheinungen auftreten und er dafür sorgen muss, dass er wieder an eine Spritze kommt.“
Bevor das Stück im Jahr 2003 erstmals gespielt wurde, hatte sich die Gruppe intensiv vorbereitet: „Wir haben Filme über Drogen gesehen, waren bei einem Drogenberater und haben sogar mit einer Ex-Abhängigen und deren Therapeutin gesprochen“, erinnert sich Jann: „Das war ein unglaublicher Wissenschatz für uns.“
Bei der Premiere am Wochenende wurde das Stück „praktisch in der gleichen Besetzung wie damals“ aufgeführt, sagt Hartwig Petersen, der als Axels Freund „Padde“ einen groben „Haudrauf-Typen“ spielt. Hinter der Bühne ist Petersen eher das komplette Gegenteil: Er zeigt den Pausenraum, in dem die Schauspieler auf ihren Auftritt warten. Die Szenerie bei der Probenarbeit scheint gemütlich: Vor einer Couch zum Ausruhen steht ein Tisch, darauf wartet bereits Sekt und Bienenstich-Kuchen. Das ist Tradition: Zum Ende der Hauptprobe vor der Premiere belohnt sich die Theatertruppe selbst. Oben in der Ecke hängt ein Monitor, der das Geschehen auf der Bühne zeigt. So weiß man genau, wann man raus muss. „Das hat Vor- und Nachteile – man verlässt sich manchmal schon zu sehr auf die Technik. Und plötzlich merkt man, dass man fast seinen Einsatz verpasst hat“, schildert Hartwig. Wie der Landwirt aus Idstedt zur Schauspielerei kam? Damals gab es den Schwank „De Fleederbeerpunsch“, bei dem auch Jann erstmals mitspielte. Seitdem gehören beide fest zum Speeldeel- Ensemble. Neben den Schauspielern hat auch Hille Clasen viel bei der Speeldeel zu tun. Sie ist zuständig für die Requisite und Maske, außerdem springt sie spontan ein, wenn einmal Not am Mann oder Frau ist. Und das seit 42 Jahren: „Ja, wir machen hier man alles mit links!“ sagt sie dazu nur.
Thorge Rühmann
Schleswiger Nachrichten 16.01.2012