Füer
Die Speeldeel probiert Ehrkes „Füer"
Beitrag der Schleswiger Speeldeel zu den bevorstehenden „Theatertagen Schleswig" Ein gehaltvolles plattdeutsches Stück
Der Verband der Volks- und Laienspielbühnen Schleswig-Holstein im Bund deutscher Volksbühnenspieler veranstaltet, wie bereits bekanntgegeben, am 18. und 19. Februar die „Theatertage Schleswig". Zu diesem besonderen Anlaß bringt die gastgebende Schleswiger Speeldeel das plattdeutsche Schauspiel „Füer" von Hans Ehrke. Es ist dies seit langer Zeit das erste ernste Stück, das eine Schleswiger plattdeutsche Bühne aufführt. Wir möchten der Aufführung - und damit dem ernsten plattdeutschen Theater - ein paar Worte mit auf den Weg geben.
„Wenn ich ein plattdeutsches Stück sehe, will ich lachen können" - das ist eine ziemlich verbreitete Einstellung. Wer für seine Bühne Stücke aussucht, richtet sich danach: Schon der Hinweis „Komödie" oder gar „Schwank" garantiert ihm einen stattlichen Besucherkreis. Gegen solche Meinungen und Handhabungen ist an sich gar nichts einzuwenden. Die urwüchsigen Schnacke machen Spaß. Die Besonderheiten des niederdeutschen Menschenschlages, seine Schwächen und seine Lebenskunst kommen auf der Bühne in effektvoller Übertreibung heraus. Das Lachen ist gesund. Immerhin aber sind die niederdeutschen Menschen und ihre Sprache nicht fortgesetzt komisch. Eher ist das die Ausnahme. Sonst wären etwa Klaus Groths „Ik wull, wie weern noch klesn, Jehann" und „Min Modersprak" wohl längst vergessen. Man darf deshalb annehmen, daß auch das plattdeutsche Publikum ebenso wie das des hochdeutschen Theaters sich inmitten leichter Kost auch einmal etwas Gehaltvolleres zu Gemüte führt. Der Wunsch danach ist, wie wir hören, schon häufig geäußert worden, Insbesondere begrüßen die Stellen, die plattdeutsches Theater fördern, das Bemühen um ernste Stücke.
Ein Wagnis bleibt es. Manche Klippen sind zu überwinden. Das Stück muß gut sein; Mängel der Handlung lassen sich nicht durch „sichere Lacher" übertünchen. Und auch die Darstellung stellt Probleme.
Nun, Hans Ehrkes „Füer" ist ein gutes Stück. Ganz gemütlich fängt es an, in der Wirtsstube, wo Bauern beim Skat sitzen. „Achtein", „Hol ik", Twindig", „Ok noch" - das ist dem Leben abgelauscht samt den .weisen Reden des Zuschauenden, dem aufreizenden Triumphieren nach geglückten Stichen und den „Leichenreden" nach den Spielen. Ärger bei Spielpech wird mit Grog heruntergespült, ein neuer Gast bringt einen der Spieler neu in Rage, Sticheleien gehen hin und her, es knistert bedenklich in der Runde. Kaum aber sind die Funken des Streites gelöscht - die beiden Gegner haben die Gaststube verlassen -, da schlagen Flammen aus einer Scheune. Brandstiftung? Der Gendarm verhört. Es kommen Dinge zutage, die bislang verborgen waren. Wir wollen das nur andeuten; sonst könnte die Spannung leiden, die das Stück durch alle vier Akte beherrscht. Jedenfalls: Wie sich die Personen nun benehmen, wie ihr Charakter in der „Feuerprobe" besteht - das zeigt Hans Ehrke trefflich. Hauptpersonen sind der Gendarm und seine Frau. Sie handeln, wie es ihrem Wesen entspricht und geraten so in Konflikte, die sie nicht abwenden können.
Ein solches Stück stellt, wie sich versteht, an die Mitwirkenden ungewöhnliche Anforderungen. Im komischen Stück sind Typen hinzustellen; in einem Stück wie „Füer" muß Charakteristisches glaubhaft gemacht werden. Das verlangt intensive Arbeit, die neben den üblichen Vorbereitungen noch zu Nachdenken über menschliches Verhalten zwingt. Die Speeldeel richtet sich danach, wie wir auf einem Probenabend sahen. Probiert wurde auf dem Dachboden, den sich die Speeldeel dafür eingerichtet hat. Alle Mitwirkenden waren mit Ernst und Eifer bei der Sache. Trotz ihrer Tagesarbeit in verschiedenen Berufen wurden sie nicht müde, jede einzelne Szene mehrfach durchzunehmen, wobei jeder beisteuerte, was er an Änderungsvorschlägen zu machen hatte. Annemarie Dienesen folgte nicht nur ihren eigenen Absichten; sie ließ auch die Spieler zu Worte kommen. Wer keinen Auftritt hatte, ruhte sich in einem mit ausgedienten Polstermöbeln behaglich ausgestatteten Aufenthaltsraum aus, während nebenan die Probe weiterging. Private Unterhaltung wurde selbstverständlich im Flüsterton geführt, damit die Spieler nicht abgelenkt wurden. Als die Probe zu Ende war, gab es am warmen Ofen geselligen Ausklang.
„Wir haben uns seit Jahren vorgenommen, dies Stück einmal aufzuführen", hörte, man aus dem Kreis der. Schleswiger Speeldeel. Nun ist es bald soweit. Wie die Aufführung im Schleswiger Stadttheater ausfällt, läßt sich nicht vorhersagen. Wenn das Wagnis nach Wunsch gelingt, dann wird mancher, der bislang auf Komik gesetzt hat, wohl bemerken, daß die Zutat „Ernst" dem plattdeutschen Theaterspielplan nicht schlecht bekommt.
Schleswiger Nachrichten, 6.2.1967