De verflixte Strümp

Behagliche Speeldeel-Premiere

“De verflixte Strümp” im ausverkauften Schleswiger Theater

Im Schleswiger Stadttheater führte vor vollem Haus die Schleswiger Speeldeel am Sonntagabend ein neu einstudiertes Stück auf, „De verflixte Strümp“ von Hans Balzer. Das Publikum lachte und schmunzelte; eine behagliche Stimmung breitete sich aus. Die Inszenierung lag auf der Linie der überaus erfolgreichen “Hilligen Grootmoder”, und es ist möglich, daß Annemarie Dienesen und ihre Bühne mit diesen beiden Stücken zu dem Stil gefunden haben, der allen Freunden des Plattdeutschen Freude macht. Darauf gehen wir später noch ein.

 

„De verflixte Strümp“, ist eine plattdeutsche Variante der alten Eifersuchts- und Verwechslungskomödien. Der Verfasser Hans Balzer siedelt die Handlung in einem behäbigen Kaufmannshaus an, das wohl in einer norddeutschen Kleinstadt liegt. Mit geschicktem Griff dreht er die Zeit um ungefähr hundert Jahre zurück: So können die Mitspieler malerische Kostüme tragen; ein Damenstrumpf - damals handgestrickt und individueller als ein Perlonstrumpf - kann zum Zeichen für Treue oder Untreue werden. Bei manchen Vorzügen hat das Stück sicherlich auch seine Schwächen. Hauptsächlich paßt die leichtherzige Spielerei nicht recht zu dem durchaus biederen Milieu; und ein bißchen schwerfällig ist der Gang der Handlung, vor allem im ersten Akt. Aber entscheidend sind die guten Seiten, nicht zuletzt auch die ungekünstelte plattdeutsche Sprache.

Annemarie Dienesen hatte wieder einmal den Löwenanteil am Erfolg. Die Stimmung des Abends war praktisch schon garantiert durch das entzückende Bühnenbild: Ein weiter, sonniger Hof mit Blumen und Bäumen, seitlich begrenzt von anheimelndem Wohnhaus und Nebengebäuden, rückwärtig von einer hohen Mauer, die eine wichtige Rolle spielte. Das also hatte Annemarie Dienesen sich ausgedacht. Außerdem führte sie Regie und sorgte dabei für gute Dosierung von Lachen und Schmunzeln mit ein paar Prisen Besinnlichkeit.

Von den Mitspielern hatte es Jens Larssen als Kaufmann Lafrenz am schwersten. Das lag an der Rolle: Hätte er dem eifersüchtig intrigierenden Ehemann ein südländisches Temperament verliehen, dann wäre niederdeutsche Eigenart verfälscht worden. Larssen machte das anders, er spielte einen Biedermann, der ziemlich ungeschickt den Spuren einer Romanfigur folgt. Diese an sich richtige Auffassung brachte es mit sich, daß Äußerungen von. schlechtem Gewissen - Verlegenheit, falsche Freundlichkeit und Aufbrausen - viel Raum einnahmen und nur wenig Gelegenheit für dankbare Aufgaben ließen.

Ilse Hufnagel, neu im Ensemble der Schleswiger Speeldeel, war ihrem Typ nach am rechten Platz als arglose hübsche Frau Sneewitt; ihr Spiel war sympathisch-natürlich. Freund Sötmund, bürgerlicher Schwerenöter mit Herz, wurde von Horst Jacobs gewandt dargestellt, überraschend eindringlich wirkte die Szene, in der sich lockeres Spiel in ernsthafte Zuneigung verwandelt. Inge Kahlung war als gewitzte Freundin Gundula komödiantischer Mittelpunkt der Handlung, ihre Bewegungen und ihr Mundwerk entfachten Lachsalven. Stilleren Humor trug Werner Jungjohann als alter Gärtner Kasper bei. Da reihte sich Kabinettstück an Kabinettstück, - verhaltene Darstellungskunst als wichtiger Teil des Stiles, von dem, wir eingangs sprachen.

Dieser Stil bedeutet Humor in verschiedenen Schattierungen ohne "Holzhammermethoden”. Nichts gegen einen handfesten Schwank hin und wieder. Aber es wäre schade um das Plattdeutsche, wenn sich Aufführungen lediglich auf derbe Komik beschränkten. Die Schleswiger Speeldeel hat erfolgreich aruch die leiseren Töne der Heiterkeit wieder zum Klingen gebracht, und das Publikum hat auch diese verstanden. Davon zeugte der Beifall.

Margarete Lorenzen

Schleswiger Nachrichten, 6.2.1973

 

 

Liebesirrtum im Mondschein

„Speeldeel" führt „Verflixte Strümp" auf

 

Schleswig. Einen vergnügten, mit besinnlichen Bonmots bestückten Abend erlebten die zahlreichen Freunde des plattdeutschen Theaters in einer Aufführung der „Schleswiger Speeldeel", die H. Balzers „De verflixte Strümp" aufführte. Das Publikum ging mit und freute sich über eine Inszenierung dieses Lustspiels, die Annemarie Dienesen auf die Bretter des voll besetzten Stadttheaters stellte. Die Blumen am Ende des Lustspiels waren Dank für das Spiel, aber auch eine Anerkennung für die Niederdeutschen Laienspieler, die trotz der noch immer hohen Anforderungen der „Hilligen Grootmudder" noch Zeit für diese neue Inszenierung gefunden haben. Am 15. April soll noch eine Prämiere folgen.

,,De verflixte Strünip" trägt: Frau Sneewitt, die Eheliebste des Kaufmannes Lafrenz,  der am Vorabend einer Reise mit seinem Freund und Schürzenjäger eine Wette um einen dieser Strümpfe abgeschlossen hat und nun besorgt die Postkutsche besteigt, weil man ja nie wissen kann, ob eine junge schöne Frau auch einige Nächte allein gelassen werden darf. Freundin Gundula bietet sich als Hilfe und Garantie der ehelichen Treue an. Sie weiß dem guten Freund eine ungetreue Frau zu zeigen, doch im Mondschein einer lauen Sommernacht wird sie selbst als vermeintliche Kaufmannsfrau das Opfer des Versuchers, der am Ende mit dem gewonnenen Strumpf in der Hand dem Rückkehrer den Beweis seines Liebesenlebnisses vorzeigt. Daß es nun nicht zum Pistolenduell kommt, ist allein dem alten Gärtner zu verdanken, der den Pistolen noch schnell die Kugeln entnimmt, als die beiden Duellanten ihren letzten Willen niederlegen. Am Ende aber meint Freund Sötmund, im Mondschein getäuscht, gar nicht in Lafrenz' Frau, sondern ihre Freundin Gundula. Worauf allen ein Stein vom liebestollen Herzen fällt.

Werner Jungjohann kommt der Hauptteil am Erfolg der Aufführung zu. Sein Gärtner ist eine gute alte Seele, mit Herz und pfiffigem Verstand. Ilse Hufnagel stand zum erstenmal als Frau Sneewitt auf der Bühne, noch etwas befangen, aber lieblich und mit Lust und Liebe bei der Sache. Das gilt auch von Inge Kahlund, die den Männern eine Nase dreht und am Ende aus dem Spiel um die Liebe Ernst macht: Jens Larssen, sicher, aber im Sprechen etwas nachlässig, mimte einen Ehemann alter Art, wie es das Spiel im vorigen Jahrhundert verlangt. Horst Jacobs hatte als Freund Sötmund sicherlich die Zuneigung aller Frauen auf seiner Seite. Das Bühnenbild von Annemarie Dienesen zauberte einen hellen Sommermorgen und die laue Mondscheinnacht in den Saal. Nur die Wäscheklammern für die Strümpfe auf der Leine fielen aus der Rolle, denn sie gehören erst in dieses Jahrhundert.

 

Schleswig-Holsteinische Landeszeitung, 4.2.1973