Dat Speel üm een Schaap, een Koh un söß braate Eier

Ein heiter-besinnliches Spiel der
 “Schleswiger Speeldeel”

 

Viel Beifall für Annemarie Dienesens Inszenierung vom "Spill üm en Schaap, en Koh un söss braadte Eier"

Vor ausverkauftem Haus, in dem auch wieder erfreulich viele junge Menschen vertreten waren und das bewies, daß das immer erneut totgesagte Plattdeutsch lebt wie eh und je, brachte die ,,Schleswiger Speeldeel" am Sonntag Paul Jessens "Spill üm en Schaap, en Koh un söss braadte Eier" zur Aufführung, wofür ihr nicht genug gedankt sein kann. Das „Spill“, an der Scheide zwischen Märchenwelt und Wirklichkeit angesiedelt, ist kein Lustspiel, kein Schwank mit billigen Witzen, sondern wie alles, was der seit seiner Pensionierung als Volksschulrektor in Hockensbüll bei Husum lebende Paul Jessen geschrieben hat, in jener heiter besinnlichen Art gestaltet, die aus dem Wissen, nein Ahnen darum, daß wir alle Wanderer zwischen zwei Welten sind,. zu schreiben vermag. Das Leben Paul Jessens hat so manche Höhen und Tiefen gekannt.

Der - im Dritten Reich mancherlei Vefehmungen ausgesetzte - Flugzeugführer aus dem ersten Weltkrieg, durch Langzeitfolgen der damaligen Verwundungen nun seit. Jahren von schweren Lähmungserscheinungen geplagt, gehörte schon 1920 zu den Begründern von Professor Mensings Kieler "Niederdeutschen Bühne" und war damals ein Schauspieler von Format, so daß er auf eine mehr als fünfzigjährige Bühnenerfahrung zurückzublicken vermag. Von seinem Schaffen sei neben dem nun in Schleswig aufgeführten Stück hier vor allem „Dat Appelspill“ genannt, für das Paul Jessen mit dem "Fritz-Stavenhagenpreis“ für niederdeutsche Dichtung ausgezeichnet wurde. .Es erlebte seine Uraufführung durch die „Niederdeutsche Bühne Bremen“ und wurde auch vom Ohnsorg-Theater gebracht.

Jenes andere Spiel, das nun die Schleswiger aufgeführt haben, wurde 1958 von der Ohnsorg-Bühne in Hamburg uraufgeführt, erlebte dort über 50 weitere Aufführungen und ist seitdem von vielen niederdeutschen Bühnen gespielt worden. Für uns Schleswiger ist noch interessant, dass Paul Jessen, der nicht nur Poet, sondern durch viele Nachkriegsjahre hindurch Kulturpolitiker im Landesteil Schleswig gewesen ist, 1950 zusammen mit Dr. Gnekow das Nordmark- Theater gegründet hat.

Die Aufführung der "Schleswiger Speeldeel", von Annemarie Dienesen in ihrer so lange schon bewährten Weise eindrucksvoll "intrimmt", folgte einfühlsam den besonderen Absichten Jessens, selbst, wenn etwa ein Spieler wie "de rieke Nachbar" (Jens Larssen), den schwebenden Märchencharakter des Stückes durch seine an sich prachtvoll temperament- und blutvolle, aber für ein Märchen wie dieses etwas zu handfeste Spielweise ein wenig überspielte. Horst Jacobs als „Verteller“ verstand es, den Zuschauern und Zuhörern mit Jessens eigenen Worten die nicht ganz leicht zu vollziehende Verbindung zwischen der Traumwelt des Märchens und der Wirklichkeit behutsam und feinsinnig nahezubringen. Im Mittelpunkt des Spiels steht „de lütte Schaapsbuur“ (aus dem der Druckfehlerteufel der SN am Sonnabend einen „Schnapsbuur“ gemacht hatte), dem Uwe Petersen auf das prächtigste jene Züge des „Dummhans“ der niederdeutschen Märchen verlieh, der hintersinnigen Humor besitzt. und - im Grunde schlauer als all die „Klooken“ - zuletzt die Krone oder in diesem Fall die brave Kuh "Jette" gewinnt. Hanne Petersen als seine von ihm ein wenig untergebutterte Frau Lisa (der von der "Frauenemanzipation des Jahres 1975 nicht viel anzumerken war) hatte sich ein Zuschauer, der das Stück vorher bereits gelesen, unwillkürlich ein wenig älter vorgestellt. Aber er ließ sich dann umso lieber von ihrer naiv-kindlichen Weise einfangen und schmunzelte, wenn sie von dem reichen Nachbarn für die Kuh Jette auch noch Futter begehrte. Reimer Wischmann hatte die nicht leichte Aufgabe, gleich in dreifacher Form im Spiel zu erscheinen, als Amtmann und verkleidet als "Monarch" und Viehhändler, wobei ihm die eigentliche Amtmannsrolle besonders gut gelang. Bei seiner Kostümierung als Monarch hätte man sich vielleicht eine mehr der Rolle angepaßte "Tracht" gewünscht, wie denn dieser Teil seiner Rolle auch am farblosesten ausfiel (diese Stelle des Stückes ist auch vom Autor her wohl die schwächste). Liebenswert Herwig Jürgensen als "De Paster", bei dem Autor wie Darsteller es erfreulicher Weise vermieden haben, eine Karikatur aus ihm zumachen. Die Person des ein wenig hilflos-weltfremden Geistlichen, der ungewollt den Anstoß zu allen Verwicklungen des Stückes gibt und zugleich Opfer der handfesten Frechheit des Krögers wird, wächst einem ans Herz. Die kleine Nebenrolle des „Schrievers“ hatte eigentlich Ludwig Wulf spielen sollen, der unmittelbar vor der Aufführung ins Krankenhaus kam und dem die Genesungswünsche des Vertellers wie der Zuschauer galten. Claus Schnoor, für den dies das erste Mitspielen überhaupt bedeutete, mußte buchstäblich von heute auf morgen einspringen, wofür ihm herzlich Dank zu sagen ist, und was erklärt, daß seine Stimme ein wenig zu leise war, um überall im Zuschauerraum durchdringen zu können. Das Bühnenbild beschränkte sich, auch nach dem Willen des Autors, auf sparsame Andeutungen, wirkte aber dennoch oder gerade deswegen, sehr eindrucksvoll.

Der lebhafte und lang anhaltende Beifall der Zuschauer war nur zu berechtigt und galt den Mitspielern. wie der Regisseurin. Und so mancher, der diese Aufführung miterlebt hat, wird ein wenig nachdenklich nach Hause gegangen sein; von jenem hintersinnigen Spiel zwischen Märchen und Wahrheit, zwischen Traum und Wirklichkeit.

Geerd Spanjer

Schleswiger Nachrichten, 28.1.1975