De Kriegskamerad

Der heitere „Kriegskamerad“

 

"Schleswiger Speeldeel" brachte den Schwank von "Rudolf Reiner" - Viel Gelächter und Beifall im ausverkauften Haus

 

 

Es ist selten, daß einmal eine Frau als Autorin an die Bühnenöffentlichkeit tritt. Und wenn dann noch zwei Frauen gemeinsam ein Stück zimmern, so ist das eine ganz besondere Seltenheit. Die Rede ist vom Schwank „De Kriegskamerad“, der am Sonntagabend im Stadttheater über die Bretter ging. Horst Jacobs, der im Namen der "Schleswiger Speeldeel" das ausverkaufte Haus begrüßte, bezeichnete es als einen "Bidrag to dat Johr vun de Fruunslüüd", daß hier zwei Autorinnen, und zwar die Damen Rudolf und Reiner, ein Stück geschrieben hätten, das das uralte Thema vom Kampf der Geschlechter aufgreift und in nett verpackter Form serviert.

Wie gesagt, das Thema ist alt. Daß ein Mann, um einmal die goldene Freiheit des Junggesellen zu genießen, einen "Kriegskameraden" oder ähnliches erfindet, hat bereits Oscar Wilde in seinem "Bunbury" gestaltet, und auch sonst findet man in der Literaturgeschichte viele Beispiele. Hier war es aber, und das ist das Interessante, mit den Augen der Frau gesehen, und das gab dem Stück den besonderen Pfiff. Der Schwank ist nicht ungeschickt aufgebaut, wenn auch manche Szenen sehr stark vorprogrammiert waren und sich - jeweils in der anderen Wohnstube - wiederholten. Aber bei einem Publikum, das ganz auf Freude und Unterhaltung eingestellt ist, wird es ja besonders beifällig aufgenommen, wenn genau das eintritt, was man erwartet!

Freude und Unterhaltung - das waren die Erwartungen, mit denen das vollbesetzte Haus die Schauspieler begrüßte. Und es wurde nicht enttäuscht: Namen wie Annemarie Dienesen, Erika Larssen, Werner Jungjohann und Hans Jessen bürgen für Qualität. Besonders Hans Jessen in der Vierfach-Rolle des Handelsmannes und der drei Kriegskameraden glänzte in einem Bomben-Auftritt derartig, daß er bisweilen die anderen an die Wand zu spielen schien. Besonders schwer, sich zu behaupten, hatten es Peter Balzer, der den ertappten Sünder Siegfried glaubhaft darstellte sowie Heidi Misfeldt, die eine um ihre Gardinen besorgte und durchaus auftrumpfende Klara spielte. An ihnen hat Annemarie Dienesen, die Regisseurin, die Aufgabe, sie zu noch freierem und lockerem Spiel zu animieren. Otto und Lene, vom Ehepaar Jens und Erika Larssen lebendig auf die Bühne gestellt, brachten schon mehr Erfahrung und Souveränität mit und konnten daher in ihren Rollen voll überzeugen.

Das dritte der friedlich-kriegerischen Paare, Fritz und Luise, waren bei Annemarie Dienesen und Werner Jungjohann in besten Händen. Frau Dienesen hatte in gewohnter Sicherheit und Spielfreude sofort ihr Publikum wieder auf ihrer Seite. Auch das Spiel von Werner Jungjohann "kam an", wenn auch Spielbeweglichkeit und Textsicherheit noch wachsen können. Und zwischen ihnen spielt sich Hans Jessen hindurch, als abgewiesener Handelsmann und dann als heißwillkommener und doch mit Skepsis betrachteter Kriegskamerad. Von Szene zu Szene freundet er sich mit dem Wein mehr an, gerät aber dadurch mehr und mehr in Feindschaft zu seiner vorgesehenen Vergangenheit, so daß schließlich eine allgemeine Verwirrung herrscht, wer nun wo und mit wem im Kriege gewesen war. Gerade das brachte das Publikum gelegentlich zu Szenenapplaus und viel Gelächter, wozu die Situationskomik, der geistreiche Witz und nicht zuletzt die schauspielerische Leistung der Darsteller beitrugen.

Die plötzliche Kapitulation der drei Frauen wirkt gerade am Schluß, wo sie über die drei ertappten Schwerenöter Sieger waren, etwas unmotiviert – es sei daran erinnert, daß zwei Vertreter des weiblichen Geschlechtes das Stück geschrieben haben! Das gut gelaunte Publikum ging willig mit; auch die überaus lange Pause, die in Zukunft kürzer ausfallen sollte, konnte die Begeisterung nicht unterbrechen, und am Schluß gab es herzlichen Beifall, Blumen und viele Vorhänge - ein Anreiz für die "Schleswiger Speeldeel", ihrem Motto mit der heiteren und der traurigen Maske treu zu bleiben und weiter zu machen, zur Freude des Publikums und zur Bestätigung der Freunde der plattdeutschen Sprache. Die Aufführung wird dm 7. Dezember wiederholt.

Reimer Pohl

Schleswiger Nachrichten, 21.10.1975

 

 

Bravo, die Damen!

 

Absolut zeitgemäß hatten sich im „Jahr der Frau“ auch zwei Damen, verborgen hinter ihren Nachnamen Rudolf und Reiner, daran gemacht zu beweisen, daß auch bei den weiblichen Poeten „Platttdütsch noch leeft“. Bravo, die Damen!

Daß gelacht wird in der plattdeutschen "Familie" des wiedermal proppenvollen Stadttheaters Schleswig. ist bekannt, daß man aber diesmal kaum aus dem Lachen über urkomische Situationen herauskam, war einmal das Verdienst des Stückes selbst, zum andern das der köstlich wiedergegebenen Typen auf der Bühne, allen voran der Allround-"Kriegskamerad'" und Handelsmann Hans Jessen in der dreifachen Personifizierung von Heini Brüggemann, Dierk Wessel und Willi Knake.

Annemarie Dienesen hatte mit ihrem Gespür für wirksame Stücke wiedermal in den Glückspott gegriffen, dazu hatte sie bei dem "Intrimmen" auf ein durchweg recht zügiges Ablaufen der Ereignisse gesehen, spielte selbst schmuck und wohl abgewogen in Gesten und Pausen die Luise, eine genarrte, aber dabei recht schlaue Kriegskameradenfrau. In der Idee dieses für Seitensprünge der Männer gut geeigneten Kriegskameradenstückes standen die schriftstellernden Frauen freilich nicht allein. Auch Männer haben sich schon da herangewagt.

Erika Larssen als Lene stellte mit ihrem durchdringenden Organ absolut glaubhaft dar, wie gern sich ihr Ehemann einmal absetzen möchte, und auch die ewige Nörgelei der guten Klara (Heidi Mißfeldt) war so typisch aus dem Leben nachgespielt, daß sich viel wohlwollendes Verständnis der Zuschauer den genasführten Männern, die sich anfänglich so klug dünkten, zuwandte.

Diese drei Männer. Otto (Jens Larssen), Fritz (Werner Jungjohann) und Siegfried (Peter Balzer), scharf darauf, nach Hamburg auszurücken, hatten sich mit ihren "Kriegskameraden" in Paderborn; Haferkamp, und Bienenbüttel doch arg verrechnet. und so wurde es bei den schlauen, alles bald durchschauenden Frauen ein köstliches Versteckspiel mit allen nur möglichen komischen Komplikationen, wobei Hans Jessen alle, aber auch alle Register seines schauspielerischen Naturtalents zog. (Wer hätte das gedacht, „wat all ut'n Minschen warrn kann“).

Wir möchten der "Speeldeel" eine zweite Aufführung in Schleswig wünschen, allen denen zur Freude, die diesmal noch nicht dabei waren. Die Freude über den guten Besuch zeigte sich in der Begrüßung bei diesem ersten Stück in der neuen Spielzeit.

Claus Schnoor hatte praktisch ein einheitliches Bühnenbild aufgebaut, das sich nur mittels eines Bildes, angepaßt an die jeweiligen Erinnerungen der "Kameraden", verwandelte, einmal in die Mitternachtssonne, einmal in den Eiffelturm und einmal in die Wüste mit Kamel!

Wie sich dieser ganze „viggelinsche Kram“ in 10 Tagen abspielte und wie Hans Jessen (alias Heini, Dierk und Willi) mit seinem dreimaligen Mittagessen fertig wurde, ehe er wieder in seinem Logie im “Swatten Ewer“ verschwinden konnte, das wird noch lange in fröhlichem Erinnerungsschmunzeln der langen Beifall zollenden Zuschauer nachklingen. Reichlich Blumen und Beifall für alle Beteiligten hatte dieser Schwank wahrlich verdient.

Elfriede Kollmann

Schleswig-Holsteinische Landeszeitung]