Wind üm de Ohrn

Wind üm de Ohrn

Premiere der „Schleswiger Speeldeel" im Stadttheater

 

Nach der Sommerpause - Uwe Petersen sprach in seiner Begrüßung vom „Sommer-slop" - war die Schleswiger Speeldeel nun wieder da - sie trat am Sonnabendabend mit dem Lustspiel „Wind um de Ohm" vor ihr Publikum.

Die Begrüßungsworte fielen in launiger Form sehr herzlich und freundlich aus; Petersen meinte, man habe gar nicht erwartet, daß überhaupt Besucher kämen. Das Haus war auch wirklich nur halb besetzt -lag es am ungewohnten Abend, denn sonst sieht man die „Plattdeutschen" immer sonntags, oder war es die „Dalli-dalli-Konkurrenz", die manchen sonst treuen Besucher zu Hause festhielt? Jedenfalls soll die nächste Aufführung wieder am gewohnten Sonntag stattfinden.

Carl Budich heißt der Autor des Stückes; nach Petersens Worten ist er Holsteiner, der sich um die plattdeutsche Sprache sehr verdient gemacht hat.

Schade, daß die „Schleswiger Speeldeel" sich gerade dieses Werkchen ausgesucht hatte, ein ausgesprochen sehwaches Stück, das vielleicht ein brauchbares Hörspiel abgegeben hätte. Denn es kommt ganz und gar auf den Dialog an; Handlung ist, außer einem angedeuteten Ringkampf, so gut wie gar nicht vorhanden, denn nur von Auf- und Abdecken und vom Strümpfestopfen kann eine Bühnenaktion nicht leben. Und warum der Autor das Thema des Stückes -die Bewährung einer jungen Frau in ungewohnter Umgebung - auf vier Akte auswalzt, bleibt unerfindlich. Die Spieler selbst hätten erheblich kürzen müssen!

In diesem Stück vom „Fischer un siner Fru" versuchen die Darsteller nun, tapfer gegen die Längen des Stückes anzuspielen - und zum Teil gelingt ihnen das auch! Da ist an erster Stelle Herwig Jürgensen zu nennen, der in natürlicher, oft pointiertet Form den Fischer-Knecht Wiard auf die Bühne bringt! Ein sehr persönliches Spiel zeichnet ihn aus, man nimmt ihm jede Handbewegung ab, und mit seinem trockenen Humor hat er oft die Lacher auf seiner Seite; auch Szenenapplaus war ihm sicher! Mattje, die junge Fischersfrau, von Heidi Misfeldt dargestellt, übertreibt am Anfang ihre Unbeholfenheit etwas, gewinnt dann mehr und mehr an Profil und hat ihre stärkste Szene im dritten Akt, als sie zur Scheidung überredet werden soll. Peter Balzer spielt den Fischer Ebbo Ulfers; er kann seine Ehe-Unbeholfenheit und seine Bullerigkeit glaubhaft darstellen. Die Regie sollte ihm aber noch ein paar andere Bewegungen als nur Am-Kopf-kratzen beibringen! Werner Jungjohann stellt den Frödde dar, einen etwas vertrottelten älteren Fischer. Mit großer Bühnenroutine holt er aus dieser schwachen Rolle heraus, was nur herauszuholen ist, und seine Gutmütigkeit und sein auf Ausgleich bemühtes Wesen nimmt man ihm wohl ab. Sibrand, den Angestellten einer Fischhandelsfirma, spielt Peter Neumann. Die Zurückhaltung am Anfang war richtig und angebracht, aber als er Mattje zum Mitkommen überreden wollte, hätte er viel überzeugender, zielstrebiger, ja feuriger sein müssen. Welche junge Frau wäre wohl so mit ihm nach Hamburg gefahren? Neeske, eine Fischerdeern, wurde von Monika Stengel gegeben. Sie machte ihre Sache der Schludersch gut, sollte sich nur davor hüten, ihre etwas schrille Stimme überzustrapazieren.

Das Bühnenbild war eine Eigenleistung der „Speeldeel", die Verwandlung durch die weibliche Hand - Gardinen, Tischdecke - war wohl zu spüren. Eine zuverlässige „Toseggersch" war Mathilde Tams; sie war auch nötig, denn manchen Spielern war eine spürbare Textunsicherheit anzumerken. Werner Jungjohann führte Regie, er hat wohl an Bewegung und Lebendigkeit in das Spiel hineingebracht, was nur möglich war. Am Schluß gab es für alle Mitwirkenden vor und hinter der Bühne Blumen und den gewohnten Beifall. - Persönliche Anmerkung: So schön Blumen sind - ob für Männer nicht eine Flasche Schnaps eher angebracht wäre?

Reimer Pohl

Schleswiger Nachrichten, 15.11.1976