Goode Geister

“Gode Geister” im Stadttheater

Flotte Aufführung der Schleswiger Speeldeel - Viele Vorhänge

 

Ferienzeit - Reisezeit! So sagt man wohl, wenn man an die Sommermonate Juni bis September denkt. In diesem Jahre scheint schon zu Ostern eine große Reiselust ausgebrochen zu sein; überall, wo man nur hinhört, heißt es: Wir fahren weg! Ob es daran gelegen hat, daß das Stadttheater am Sonntagabend nicht - wie sonst - voll war, als die „Goden Geister" die Bühne bevölkerten?

Aber wer nicht da war, hat etwas versäumt! Die Schleswiger Speeldeel hatte zur Premiere eingeladen; gespielt wurde die Komödie in drei Akten „Gode Geister" von Walter Wiborg. Der Autor ist lange Zeit in Rendsburg Lehrer gewesen; durch eine ganze Reihe von Bühnenstücken ist er über die engeren und weiteren Grenzen seiner Heimat hinaus bekanntgeworden. Sein Sohn war lange Zeit Realschullehrer in Schleswig; Jens Larssen, der im Namen des Vorstandes die Zuschauer begrüßte, konnte ihm einen besonderen Willkommensgruß zurufen.

Das Spiel hatte Witz und Tempo. Das ist in erster Linie Jens Larssen zu danken, der als Regisseur nicht nur für einen flotten Ablauf sorgte, sondern auch bei der Auswahl der Spieler eine glückliche Hand bewiesen hatte. Jeder der fünf Akteure stand seinen Mann; jeder nutzte seine Rolle bis ins letzte aus, ohne dabei nach der einen oder anderen Seite zu überziehen. Da ist in erster Linie Heike Vollstedt zu nennen; sie spielte die Antje Fries, eine junge Frau, die ihre Erfahrungen mit den Menschen macht, durch Erfolg und Mißerfolg lernt und dabei durchaus ihre Weiblichkeit, die jeder Tochter Evas anhaftet, nicht verleugnen kann. Sie ist von einer gesunden Natürlichkeit, zeigt dabei ein bißchen Naivität und bringt es mit zarten Händen, die aber durchaus zupacken können, fertig, die Karre wieder auf festen Boden zu ziehen. Diese Rolle war bei Heike Vollstedt in besten Händen; häufiger Szenen-Applaus war ihr sicher.

Ihr nicht nach stand Karin Jacobsen, eine stichelige Hushöllersch mit einem losen Mundwerk. Ein bißchen frech, sehr schlagfertig, eine kleine Klatschtante, die „nicht neugierig" ist, sondern nur alles wissen möchte. Sie ist dabei keinesfalls bösartig; sie sieht die Schwierigkeiten, bringt es aber nicht fertig, sie zu beseitigen. In dieser Rolle stand Karin Jacobsen auf dem rechten Platz, vor allem, weil sie es meisterhaft verstand, die Situationskomik weidlich auszunutzen. Ihre Rededuelle mit dem Alt-Arbeiter Jan und dem Viehhändler Schönbarg waren Gold wert.

Karl A. Walter spielte Jörn Hellisen, einen jungen Bauern, der im Grunde ein bedauernswerter Kerl ist: gegen seinen Willen mußte er den Hof übernehmen, wäre aber viel lieber Maschinen-Konstrukteur und -Techniker geworden. So wird er zwischen Pflicht und Neigung hin- und hergerissen, weiß im Grunde nicht, wohin er gehört. Deshalb wird er von allen Menschen angegriffen, und viele nutzen seine Gutmütigkeit aus. Er hat Angst vor Entscheidungen und läßt alles schleifen bis zum - glücklichen - Ende. Kalli Walter konnte den Zögerer und Unentschlossenen glaubhaft darstellen; bis hin in die kleinsten Nuancen von Mimik und Geste „stimmte" alles. Eine überzeugende Leistung!

Der Arbeitsveteran Jan, von Werner Jungjohann dargeboten, ist ein Rentner, der ein vertragliches Wohnrecht und noch andere Bindungen an den Hof hat. Er ist nicht übermäßig intelligent, hat aber das Herz auf dem rechten Fleck und weiß durch treffende Redeweisen manche Schwierigkeit zu lösen. Er ist hundertprozentig treu und ehrlich, ein „prima Kerl". Er weiß auch genau, und das konnte Werner Jungjohann besonders deutlich herausbringen, daß man in seinem Alter nicht mehr „alle Bäume" ausreißen kann. Als ihm einmal anerkennend gesagt wird: „Minsch, du hest doch ok noch en Büx an!", da meint er trocken: „Bi mi hatt dat awers nich mehr veel to bedüdn!" In gewohnter Weise meistert Jungjohann die Aufgabe und zieht die Lacher oft auf seine Seite.

Hans Schönbarg - Schietbarg müßte er heißen - ist ein gerissener Viehhändler; ein Held bei den Frauen und mit dem Mund. Er ist stark auf seinen Vorteil bedacht und haut andere gerne übers Ohr. Der einfache Handschlag - bei den Husumer Viehhändlern bis heute der einzige Kaufvertrag - würde bei diesem Schlitzohr nicht ausreichen. Uwe Hansen spielt den Schönbarg; die Falschheit im Wesen bringt er deutlich hervor: immer freundlich und heuchlerisch, aber wenn es ihm an den - geschäftlichen - Kragen geht, dann kehrt er seine wahre Natur hervor. Auch er konnte mehrfach Szenenbeifall entgegennehmen.

Alle „Äußerlichkeiten" waren in Ordnung. Anne Schmidt war eine sichere Souffleuse, die kaum einmal einzugreifen brauchte; die Technik war bei Heinz Böck gut aufgehoben. - Es gab reichen Beifall, Blumen und eine ganze Reihe von Vorhängen.

Reimer Pohl

Schleswiger Nachrichten, 29.3.1977