Vogeljette
Die “Vogeljette” scheint nichts von ihrer Anziehungskraft verloren zu haben
Premierenabend bei der "Schleswiger Speeldeel" ein Erfolg
Plattdeutsch ist „in“ und die „Schleswiger Speeldeel“ beliebt wie eh und je. Das bewies wieder einmal die Eröffnung der diesjährigen Spielzeit mit der Premiere vom Sonnabend, bei der vor brechend vollem Haus Adolf Woderichs Volksstück in drei Aktenn „Vogeljette" in einer Neuinszenierung von Annemarie Dienesen auf Anhieb zu einem Erfolg wurde. Bereits vor einer Reihe von Jahren hatte die „Speeldeel" das Stück auf dem Programm, und die neue Aufführung zeigte, daß es nichts von seiner Wirkung und Aktualität verlolen hatte.
Besonders gespannt waren die Freunde der „Speeldeel" diesmal auf die vier Neulinge in Ensemble. Anja Hansen und Sönke Dose als Peperknechtkinder Minni und Jonni und Hannelore Voss als Julians Notteboom meisterten ihre Rolle - trotz Premierenfieber - ausgezeichnet. Mit der vierten in diesem Kleeblatt, Olly Gröning, hat die Speeldeel jedoch einen ganz besonderen „Fang" gemacht. Als Lisbeth Krull riß sie die Zuschauer zu begeisterten Ovationen hin. Man fragt sich, weshalb ein solches Talent so lange im Verborgenen blühte. Wenn auch gerade diese Eröffnungsrolle für sie enorme Entfaltungsmöglichkeiten bot, zweifelt nach der gebotenen schauspielerischen Leistung sicher niemand daran, daß Olly Gröning auch künftig als Komödiantin von sich reden machen wird.
Als der leicht verlotterte Kaufmann Eberhard Peperknecht, der mit seinen drei Kindern im Flegelalter nicht recht fertig wird, gab Werner Jungjohann als "alter Hase" des Ensembles wiederum eine Glanzrolle. Konrad Hansen als sein Sohn Mandus, Mathilde Tams als Lisbeths Tochter Ute und Charly Fassmer als Jennis Freund Paul Krüger zeigten schon in der Erstaufführung mit feinem Gespür, wie solche Flegelrollen darzustellen sind, und Hansjürgen Mumm, und Kalli Walter boten einen Kriminalkommissar, und einem Seeoffizier wie sie sein sollen. Annemarie Dienesen, die selbst die Inszenierung besorgt hatte, war in der Hauptrolle als Elvira Sanftmut, der "Vogeljette", vor dieser Ensembleleistung denn auch nicht gezwungen, irgendetwas "herauszureißen". Dennoch war sie es, die den Glanzpunkt des Abends bildete. Mit umwerfender Komik beherrschte sie die Aufführung, - und natürlich die „Adoptivfamilie" in die sie geraten war. Ihre professionelle Leistung, sicher in Mimik, Gestik und Dialog, war über jede Kritik erhaben. Ihr Erfolg als Hausmutter wirkte daher auch völlig selbstverständlich und das Stück damit überzeugend. Zusammenfassend kann man sagen, daß, die Pointen saßen, und als Zuschauer spürte man beim Beifall vor offener Szene manchmal das Unbehagen, im Begeisterungssturm vielleicht die nächste zu verpassen. Eine ganze Serie von Vorhängen und Blumen für alle belohnte die Schauspieler zum Abschluß der Vorstellung noch einmal.
Reimer Pohl
Schleswiger Nachrichten
Ein großer Abend für Annemarie Dienesen
Lachen „ohne Ende" bei der ..Vogeljette"
Schleswig. „Dat geiht bald los!", mit diesen vielversprechenden Worten begrüßte Uwe Petersen die vielen Zuhörer, die sich zur ersten Premiere 1980 der „Schleswiger Speeldeel" im Stadttheater Schleswig eingefunden hatten. Er berichtete über die Gründung einer Fördergruppe, die durch ihre Monatsbeiträge „passiv" die „aktiven" Spieler unterstützt.
Dann ging es wirklich los mit dem Volksstück von Adolf Woderich, mit der „Vogeljette", „intrimmt" von Annemarie Dienesen, toseggt von Hanne Petersen und mit der Technik von Konrad Hansen. „Haar un Snutenwark" harr Heike Walter torecht makt und „Speeldeel inricht" harr Helmut Utermann.
Die zeitnah und lebensecht gestaltete Handlung ist durchzogen von viel Komik. Beifallsstürme rissen nicht ab und verhinderten beinahe, die pausenlos ausgespielten Gags im Zuschauerraum aufzunehmen. Das Stück war dem großen Teil der Mimen auf den Leib geschrieben, vor allem Annemarie Dienesen konnte in der Hauptrolle der Haushälterin Elvira Sanftmut alle Register ihrer reifen Schauspielkunst ziehen. Im Griunde war sie gar nicht so „vogelich", die „Vogeljette" mit Familienanschluß. Sie will nicht mehr, als Ruhe und Frieden in die verlotterte Wirtschaft des Eberhard Peperknecht (Werner Jungjohann) bringen. Köstlich ihr Auftritt als leicht „Angetörnte" bei der Rückkehr vom Witwenball! Im Lauf der Handlung gelingt es ihr, alles und alle in den Griff zu bekommen. Und es sind viele, die sich in der immer ordentlicher werdenden Wohnstube der Peperknechts um die Handlung bemühen. Allen voran Werner Jungjohann als „geistig vereinsamter. Witwer". Viele neue Gesichter sah man im Ensemble. Olly Gröning gab als Witwe Liesbeth Krull ein kleines Kabinettstück an Wendigkeit und Durchtriebenheit! Anja Hansen hatte man die Rolle der Minni, eines der drei Kinder des alten Peperknecht, anvertraut. Als Friseuse und angehendes Mannequin (wie aus dem Modeblatt) war sie zunächst ein Beispiel der „unverstandenen Jugend", wirkte dann er, einig mit ihrem Tedsche (Kalli Walter), sehr fraulich und sympathisch.'
Hansjürgen Mumm spielte den überragenden Kriminalkommissar Notteboom, und als dessen Tochter Juliane agierte (auch eine „Neue") Hannelore Voß. Weiter war neu dabei Sönke Dose als Jonni, drittes der Peperknechtschen „Gören". Sein lebensechtes Spiel beeindruckte, mit der plattdeutschen Sprache freilich steht er noch auf Kriegsfuß. Paul Krüger als sein Freund wurde von Charly Faßmer in Maske, Mimik und Klamotten sehr zeitnah verkörpert. Mathilde Tams als Tochter Ute der Witwe Krull paßte sich dem „Freund Krüger" bestens an. Konrad Hansen als ewig arbeitsloser zweiter der Peperknecht-Söhne wirkte als Typ etwas zu ältlich. Das ganze Geschehen, in dem sich, was Wunder, am SchluB etliche Paare finden, atmete bis auf ganz wenige Passagen diesen gewissen „drive", der das Publikum mitreißt und zu einem fast frenetischen Dauerbeifall verleitete. Es war ein großer Abend für Annemarie Dienesen. Die das Spiel noch nicht miterlebten, können sich am 2. Weihnachtstag eine Wiederholung ansehen.
Elfriede Kollmann
Schleswig-Holsteinische Landeszeitung, 27.10.1980
„Vogeljette" hinterließ ein zufriedenes Publikum
Die Schleswiger Speeldeel gastierte in Eckernförde
Eckernförde (TH). Die Schleswiger Speeldeel unter der Regie von Annemarie Dienesen führte im vollbesetzten Saal der Stadthalle das Volksstück „Vogeljette" von Adolf Woderich auf. Schon Wochen vorher wußte man, daß die Schleswiger kräftige Hausmannskost -mit kräftigem Humor gewürzt - in reichlich zwei Stunden bieten würden, eine Hamburger Zeitung schrieb einmal: „Wenn es sie (Vogeljette) wirklich gäbe, sollte man sie sofort zur Jugendsenatorin in Hamburg machen." — Nun, die Eckernförder kamen voll auf ihre Kosten. Immer wieder wurden die Szenen von Applaus unterbrochen. Der Schlußbeifall bewies, daß das Eckernförder Publikum restlos begeistert war.
Der Dichter Woderich hatte ein Stück verfaßt, das in unsere Zeit paßt. Eine ungebärdige Jugend, die sich leicht verführen läßt, aber doch nicht so schlecht ist, wie mancher Ältere es glaubt. Es braucht nur jemand zu kommen, der die Jugend versteht und sie auf den richtigen Weg führt. Dann wird alles wieder gut. Diese Rolle spielte Elvira Sanftmut (Annemarie Dienesen), die ja gleichzeitig die Regie führte, so meisterhaft und gekonnt, daß man seine helle Freude an der Vogeljette hatte. Sie spielte zuerst die Sanftmütige, die wegen ihres „Kanarienvogels" Eduard von der Jugend den Ulknamen bekam. Sie glaubte an Seelenwanderung und war der Ansicht, daß ihr verstorbener Mann Eduard in der Seele eines Vogels weiter lebte.
Der Witwer und Krämer Eberhard Peperknecht (Werner Johann) hatte seine Kinder Minni (Anja Hansen), Mandus (Konrad Hansen) und Jonni (Sönke Dose) zu lasch erzogen, sie taten, was sie wollten. Jonnis Freund Paul Krüger (Charly Faßmer) hatte einen elektrischen Zähler geklaut. Paul und Ute Krull überredeten Jonni, die „heiße Ware" unter dem Sofa zu verstecken.
Vater Eberhard hatte eine Haushälterin engagiert, die freie Hand erhielt, den Haushalt mitsamt Gören in Ordnung zu bringen. Als sie auf der Bildtfläche mit Gepäck und Vogelkäfig erscheint, erhält sie vom Publikum Beifall. Und dann knüpft sie sich jeden einzeln vor. Minni muß die Küche säubern, Mandus, der aus der Lehre gelaufen ist, gehorcht ihr. Und Jonni verwackelt sie tüchtig. Der Vater ist sprachlos über ihre Erziehungsmaßnahmen. Aber sie hilft, wo sie kann. Zuerst Jonni bei der verflixten Mathematik, die sie vollkommen beherrscht. Ihr Sohn Tedsche (Kalli Walter) ist ja Steuermann, mit ihm hat sie gepaukt.
Dann erscheint Kriminalkommissar Nottelboom (Hansjürgen Mumm). Er sucht nach dem gestohlenen Zähler. Vogeljette bekommt heraus, daß Jonni und Konsorten den Zähler unter dem Sofa versteckt haben. Sie holt ihn hervor, da erscheint in Begleitung des Kommissars die Klatschtante Lisbeth Krull (Olly Gröning). Die Indizien sind offenbar gegen Vogeljette, sie wird zur großen Schadenfreude von Lisbeth verhaftet und mitsamt dem Zähler zur Wache gebracht. Nun herrscht große Aufregung, denn Vogeljette bleibt verschwunden, obwohl Nottelboom nur ihre Personalien aufgenommen und sie freigelassen hat. Inzwischen erscheint der Sohn und Steuermann Tedsche Sanftmut, der den jungen Leuten seine Fäuste zeigt und sich in Minni verliebt. Aus dem Gör wird eine liebenswerte Braut. Mandus darf an seiner alten Stelle die Lehre wieder aufnehmen und Jonni ist ein braver Schüler geworden. Nottelboom berichtet, daß Paul Krüger hinter „schwedischen Gardinen" sitzt. Alle vermissen Vogeljette, auch die heuchlerische Lisbeth Krull.
Da geht die Tür auf und herein kommt Vogeljette, dickeduhn, mit Luftballons und Lebkuchenherz. Zum Schluß gibt es dann drei Brautpaare, erstens Steuermann Tedsche und Minni, zweitens Mandus und Juliane (Hannelore Voss), Tochter des Kommissars, und schließlich Vogeljette und Vater Eberhard. So endet alles in Wohlgefallen.
Das Eckernförder Publikum bedankte sich bei den Schleswiger Spielern mit rasendem Beifall. Vorsitzender Hans Jessen und Claus Marquardsen belohnten das Schleswiger Ensemble mit Blumen für die Damen und zusätzlichen „Kinjespoppen".
Eckernförder Zeitung