Viola

Liebe, Eifersucht und ein bißchen Kuppelei in der Komödie “Viola”

Eine gelungene Premiere der Schleswiger Speeldeel

 

 

Als erste plattdeutsche Premiere des Jahres 1983 brachte die Schleswiger Speeldeel die Komödie "Viola" von Hans Balzer heraus. Ein brauchbares Stück, ein volles Haus, vergnügte Schauspieler - was will man mehrl

Dabei hatte es Hauke Stieger als Regisseur nicht leicht: das Bühnenstück hat viele Dialoge, die nur schwer mit Handlung zu unterstreichen sind, und die Längen der Exposition sowie der sehr breite Anfang des dritten Aktes (retardierendes Moment) ließen sich nicht verbergen. Aber der Spielleiter hatte zum größten Teil versierte, erfahrene Schauspieler zur Hand, die dem Statuarischen des Stückes viel Dynamisches an Spielart beigaben. Und Spannung kam durchaus am Ende des zweiten Aktes auf, als sich die Geheimnisse und Andeutungen von allen Seiten so stark zusammengedrängt hatten, daß man sich den Ausgang überhaupt nicht mehr vorstellen konnte. Denn das Experiment mit einem Mädchen - eine nicht ganz saubere Sache, das harmlose "Taler"-Spiel mit überraschendem Ausgang, die verschiedenen Konstellationen - das war nicht ungeschickt. Im dritten Akt gibt es ein bißchen reichlich Versteckerei und recht viel Unwahrscheinlichkeiten, aber die Phantasie des Zuschauers spielt ja sowieso immer eine große Rolle. Es ist ein Spiel von Liebe und Eifersucht und ein bißchen Kuppelei, das natürlich mit „Happy-End“ schließt.

Uwe Pertersen hielt eine launige Begrüßung mit humorvollem Aus- und Rückblick. "För uns ist dat ole Jahr prima lopen" über 100 Fördermitglieder, und die 150 sind wohl auch anzupeilen. Dieses besinnliche, etwas ruhige Stück sei auch passend für die plattdeutsche Sprache, meinte Petersen. Er erwähnte, daß zwei neue Gesichter auf den Bühnen stünden, und "en Lehrling dörf ja ok mol wat falsch moken, nich?"

Jens Larssen spielte den Handelsherrn Hanno Cornelsen, eine gute Mischung aus würdigem Kaufmann, besorgtem Vater und ein bißchen "ältlichem Liebhaber mit Frühlingsgefühlen". Er spielte sehr natürlich, sehr überzeugend, sehr menschlich. Anne . Schmidt gab seine Tochter Frauke; sie machte ihre Sache ebenfalls gut, hätte aber als eifersüchtige Liebende noch mehr aus sich herauskommen müssen. Recht ehrlich wirkte. ihr Zornesausbruch! Neu auf der Bühne war Hayo Georgs, der den Klaus Renken spielte. Er wirkt noch ein bißchen steif und unbeweglich; bei weiteren Aufgaben wird er mehr aus sich herauskommen. Als "Nicht-Plattdeutscher" hat er ein gewaltiges Pensum an Text lernen müssen; Hochachtung! Er muß allerdings seine Stimme mehr nach vorne im Mund legen, um besser verstanden zu werden. Werner Jungjohann und - auch als neue Darstellerin - Luise Berg gaben ein prächtiges "Deenst-Paar" ab: sie mit Haaren auf den Zähnen, die aber zum Schluß einem zarten Wesen weichen; er mit trockenen Humor und ebenfalls Kater-Anwandlungen, die aber die Treue zu seiner Frau nicht in Ge fahr bringen

Den gelehrten Magister Jeremias Puttfarken spielt in einer unnachahmlichen Studie Hauke Stieger. Er bringt Leben und Witz in das Geschehen - herrlich die Szene, in der er als unentschlossener Liebhaber zwischen Gelehrsamkeit und Liebe hin- und hergerissen wird - und dann doch noch den Unterschied zwischen einem Mädchen und einem Kaktus erkennt! Das Naturkind Viola spielt Karin Jacobsen, die die Wandlung von der unbedarften "Swiens-Deern" zur raffinierten Kupplerin überzeugend darstellt. Frisch und unverbildet tritt sie auf und bringt dann doch alle Personen in Schwung - und zum Schluß die richtigen Paare zusammen. Eine sehr gute Leistung.

Helmut Utermann hatte in Zusammenarbeit mit Otto Hartrich ein hübsches Bühnenbild geschaffen: einen Sommergarten mit Laube, Büschen, Bänken, einem echten Beet (für den Kaktus!) und vielen liebevollen Details. Heike Walter zeichnete für "Hoor- un Snutenwark" verantwortlich, der Techniker war Hans-Joachim Boldt, und eine zuverlässige Toseggersch - die beim Gespräch der drei Frauen über die Liebe am Anfang des dritten Aktes auch nötig war - Edna Maaske.

Es gab Blumen, und den reichen Beifall nahm Ensemble als Gemeinschaftsleistung auch gemeinsam entgegen, ohne einzelne Mitwirkende herauszustellen.

Reimer Pohl

Schleswiger Nachrichten, 11. 1. 1983

 

 

"Viola" begeisterte die Zuschauer

Gelungener Jahresauftakt für die Schleswiger Speeldeel

 

Schleswig (lz) Der rhythmische Gleichklang des begeisterten Beifalls, den das vollbesetzte Haus am Sonntag abend in Schleswjg der „Speeldeel“ spendete, war der Beweis dafür, daß diese erste Premiere 1983 mit der Komödie in dree Törns „Viola" von Hans Balzer gut ankam.

Daß es „auch so" geht, behauptete Uwe Petersen, als er das besinnliche Stück, in dem es zwar auch viel zu lachen gab, das aber doch erfreulich viel gute Gedanken und Lebensweisheiten enthielt in seinen Begrüßungsworten ansagte.

Und dann erschien, gravitätisch und nobel gekleidet, Hanno Cornelsen (Jens Larssen) als Lübecker Handelsherr, um seine Spieler zunächst einzeln vorzustellen. Ein geschickter Regieeinfall von Hauke Stieger, der neben der Regie auch noch in der Darstellung des Magisters Puttfarken ein Kabinettstück an Bühnenkunst aufzog.

Die Kostümierung aller Darsteller war liebevoll ausgesucht, und die geschickte Wahl von „Haar un Snutnwark," war Heike Walter bestens gelungen. Technik (Hans-Joachim Boldt) und Gesamteinrichtung des Stückes klappten bei Helmut Utermann und Otto Hartrich einwandfrei, und die „Toseggersch" Edna Maaske hatte wie bei jeder Premiere nicht eben wenig zu tun (es hatte nicht jeder so gut gelernt wie der „Debütant“ Hayo Georgs); sie war aber kaum zu hören, und ihre Inanspruchnahme hielt sich in Grenzen.

Das Stück steht und fällt mit der Gestaltung der Hauptfigur. der Viola. Und was Karin Jacobsen mit diesem „gediegenen Vogel ut Düsterwohld“, dieser zunächst etwas dümmlichen Landpomeranze, der man nicht böse sein kann, die aber den sechsten Sinn eines Naturkindes besitzt, um die es sich lohnt, sie in die Schule zu nehmen und die es letztendlich doch faustdick hinter den kleinen süßen Ohren hat, es ganz schön versteht, die einzelnen Akteure gegeneinander auszutricksen, was also Karin Jacobsen hier auf die Bühne stellte, das war schon erheblich mehr als plattdeutsches Laienspiel!

Ihre Gegenspielerin Frauke, Tochter des Handelsherrn Cornelsen, wurde von Anne Schmidt im Gegensatz zu der „Swiesdeern“ mit viel Temperament und Verve so lebensnah dargestellt, daß zwar nicht die Fetzen, aber doch alles Bewegliche auf Tisch und Stühlen durch die Gegend flog.

Still und lieb dazwischen Luise Berg als Hausmeistersfrau Marlen, lebensklug und mit guter Menschenkenntnis ausgestattet, wissend, daß die Eifersucht die Ursache vieler Übel ist. Sie hatte es im Leben nicht eben leicht gehabt mit ihrem Ehegespons Jacob Döge (Werner Jungjohann), mit diesem schon etwas senilen, aber der holden Weiblichkeit nicht abgeneigten alten Herrn, der seiner Rolle bestens gerecht wurde.

Hayo Georgs gab als Klaus Renken, Sohn eines Geschäftsfreundes des begüterten Handelsherrn aus Wismar. sein Debüt. Ihm als Nichtplattdeutschen kann bescheinigt werden, wie man sich mit Eifer und Interesse in die plattdeutsche Welt hineinleben kann, noch etwas schüchtern, in der Sprache noch etwas zu leise und gehemmt, aber als „Neuerwerbung“ bei der „Speeldeel“ sehr zu begrüßen.

Wie Hauke Stieger als Magister Jeremias Puttfarken, der mit botanischen Erläuterungen über seinen Kaktus brillierende „Studierte“ mit seinem scheinheiligen Getue, mit seinem auf Ordnung und System bedachten Gelehrtentum zum Schluß mit seinem „Stiefmütterchen“, der „Viola tricolor“, nach beklemmendem Anschweigen und vielem Hin und Her dazu beitrug, daß sich am Schluß doch al1e „kriegten“, das war vom Autor geschickt aufgebaut und von den Spielern bestens nachempfunden.

Beifall und Blumen waren verdient. Auf die nächste Promiere der „Speeldeel“ am 13. Februar („Kramer Krey“ von Boßdorf) darf man gespannt sein.

Elfriede Kollmann

Schleswig-Holsteinische Landeszeitung, 11. 1. 1983