Sluderkram in´t Treppenhus
,,0, düsse Mannslüüd”
Letzte Premiere der "Speeldeel" / Meer von Blumen
Die Theatersaison dieses Winters neigt sich - zusammen mit ihm - ihrem Ende entgegen. Als letzte Premiere dieser Spielzeit zeigte die "Schleswiger Speeldeel" das Stück "Sluderkraam in't Treppenhus" von Jens Exler. Horst Jacobs konnte ein volles Haus begrüßen - auffällig viele junge Leute füllten die Reihen. Jacobs wies auf die erfreuliche Tatsache hin, daß das Plattdeutsche - immer wieder totgesagt - lebendig sei und mehr und mehr Freunde gewinne. Die Besucherzahlen seien dafür ein sicheres Kennzeichen.
Jens Exler hat sein Stück dramaturgisch geschickt aufgebaut. Am Ende des 2. Aktes hat sich die Problematik so sehr zusammengeballt, daß es eigentlich keinen Ausweg zu geben scheint. Das Stück lebt von der menschlichen Schwäche, vor allem der Neugier, der Klatsch- und Tratschsucht. Das Gefühl: "Ich weiß mehr als du!", das jeder Mensch kennt, summiert sich hier in der Nachbarin Meta Boldt, die sich nicht genug darin tun kann, "Sluderkraam" aufzusaugen, anzureichern und dann genußvoll wieder zu verbreiten. Das natürlich immer mit der sanftesten Unschuldsmiene: “Man good, ich heff dor nix mit to dohn!"
Das war für Erika Larssen eine Bombenrolle - schon auf dem Wege in den Saal hörte der Rezensent die Worte: "Die Erika mit ihrem Schandmaul wird das schon regeln. Schandmaul - das bewies die Meta Boldt tatsächlich: mit ständigem Redeschwall, aber als persönliches Unschuldslamm, verbreitet sie die schlimmsten Gerüchte, um sich dann an der Verlegenheit der lieben Nachbarn zu weiden. Das macht Frau Larssen, verbunden mit Gesten, Körpersprache und Mimik so ausgezeichnet, daß man nur tief den Hut vor ihrer Leistung ziehen kann.
Ihr kaum nach steht Uwe Petersen, der den Stüerinspekter Brummer mit Herz und Verstand auf die Bühne stellt. Hinter der rauhen Schale verbirgt sich ein weiches Gemüt, das allerdings auch der Weiblichkeit absolut nicht abhold ist. Petersen spielt urkomisch und sehr natürlich; am Anfang des 3. Aktes (Betrunkenenszene) streift er hart die Grenze der Klamotte.
Eine gute Leistung als Wittfru Knoop bietet Irmgard Gleue. Sehr ehrlich, sehr menschlich, dazu in gutem Platt, spielt sie die Nachbarin, die sich um andere und auch um sich selbst ihre Gedanken macht. Ihr nimmt man jedes Wort ab. Herwig Jürgensen spielt den Hauswirt Tramsen, etwas linkisch, etwas unbeholfen, so wie sich ein "olen Koter" gibt, der gerne den jungen Mädchen nachsteigt, wenn seine Frau nicht zu Hause ist. Auch er wirkt sehr natürlich - die Deutlichkeit seiner Aussprache könnte größer sein.
Das junge “Paar" spielen Marina Emken, recht neu auf der Bühne, und Kai Boysen. Wenn auch beiden noch die letzte Sicherheit auf der Bühne fehlt, so machen sie ihre Sache schon recht gut. Aussprache, Ausdruck und Bewegungen stimmen weithin mit der Rolle überein - die Regie könnte ihnen noch bei den Stellen helfen, in denen sie nicht zu sprechen haben und gelegentlich etwas statuarisch wirken. Werner Jungjohann spielt mit Würde den zunächst sturen Geschäftsmann und anschließend den einsichtigen und lernfähigen Vater, der wesentlich zum allgemeinen "happyend" beiträgt.
Das Stück hat einige Längen, z. B. zu Beginn des 3. Aktes. Hier könnte gestrafft werden, schon um die Überlänge etwas zu reduzieren. Hauke Stieger führt eine sorgsame Regie, die viel auf Situationskomik setzt - bei diesen Schauspielern kein Problem. Helmut Utermann hat ein schlichtes, funktionelles Bühnenbild geschaffen, Alfred Christians war für die Technik verantwortlich, und als Souffleuse fungierte Edna Maaske.
Das Publikum hatte sehr viel Spaß an der Sache, sogar in den Pausen nahm die Heiterkeit nicht ab. So gab es rauschenden Beifall, und die Schauspieler, vor allem Erika Larssen, verschwanden bei den vielen Vorhängen in einem Meer von Blumen.
Reimer Pohl
Schleswiger Nachrichten, 24.3.1987