Thea Witt makt nich mit

Jens Exlers Lustspiel “Thea Witt maakt nich mit” von Uwe Petersen schwungvoll inszeniert

Plattdeutsche Premiere im Stadttheater läßt hoffen

 

 

Schleswig. Zur ersten niederdeutschen Premiere der Winterspielzeit 1987/88 hatte die “Schleswiger Speeldeel“ ins Stadttheater eingeladen: dat Huus weer meist utverköfft — Werner Jungjohann als 1. Vorsitzender konnte viele treue Gesichter begrüßen. Er wies darauf hin, daß am 3. Oktober das Stück „Sluderkrom in‘t Treppenhuus“ wiederholt würde.
Jetzt aber stand „Tea Witt maakt  nich mit” von Jens Exler auf dem Programm, und die Premiere war ein guter Auftakt, denn an dieser Aufführung stimmte alles: das Stück ist ausgezeichnet, die Regie ließ flott und schwungvoll spielen und die Leistungen der Schauspieler waren durchweg überzeugend.

Jens Exler, der vor einigen Jahren verstorbene Flensburger Autor, hat selbst lange Zeit auf der Bühne gestanden; er weiß, worauf es ankommt. Sein „lustig Spill” von dem Geschehen in Billerbrook ist modern, glaubhaft, überzeugend, hat eine echte Problematik, übertreibt nicht, kann sogar zum Nachdenken anregen. In dem kleinen Ostsee-Dorf stehen sich zwei Meinungen gegenüber: Gemeinderat und Bürgermeister wollen zur Ankurbelung des Tourismus Strand-Appartements und ein Hotel bauen, die Dorfbewohner wollen Natur und Ruhe  bewahren. Schon in den ersten Minuten prallen die beiden Meinungen aufeinander, vertreten durch den Bürgermeister Martin Bollmann und die Gastwirtin Thea Witt. Beide finden Anhänger, und zeitweise ist.die Situation so verfahren, daß man sich fragt: wie kommt der Autor da. wieder heraus? Aber Exler schafft es, und die Schauspieler machen willig mit.

Unter der Regie von Uwe Petersen wird schwungvoll und überzeugend gespielt. Es gelingt dem Regisseur, beide Seiten des Streits so darzustellen, daß man eigentlich jeder Partei zustimmen könnte. Petersen legte wieder eine gute Mischung  von “Gewährenlassen”  und „sanfter Führung“ an den Tag. Das  Ergebnis kann sich sehen lassen. Kleine Textpausen mögen auf Aufregung zurückzuühren sein, sonst aber ging es Schlag auf Schlag, die Gags saßen treffsicher Höhepunkte wurden gut vorbereitet, es kam ein abgerundetes, geschlossenes Spiel zustande. Helmut Utermann, der im Programmehft ausführlich vorgestellt wurde, hatte ein sehr ansprechendes und praktikables Bühnenbild geschaffen;  Souffleuse, die kaum mal in Aktion zu treten brauchte, war Wiebke Seegebarth, für den „Lüttkram“ sorgte Margret Bronsert, und die Technik betreute Alfred Christians.

Christians stand auch zum ersten Male auf der Bühne und konnte erhebliche Lorbeeren einheimsen: seinen Bürgermeister Bollmann konnte er sicher, souverän und überzeugend auf die Bühne stellen. Man nahm ihm ab, wie überzeugt er von der Richtigkeit seiner Meinung ist. Nur der Umschwung im dritten Akt kommt ein wenig zu plötzlich. Aber Christians machte seine Sache ausgezeichnet. Seine Tochter Frauke wurde von Ute Coordts gespielt — ein liebendes, junges Mädchen, das „zwischen die Fronten” gerät. Sie spielte gut, kann aber insgesamt noch freier und selbstverständlicher wirken. Carola Ganowski, - den hochdeutsch sprechenden, etwas exaltierten und künstlerisch tätigen Sommergast, spielte Gudrun Brix — oft konnte sie für ihr “überkandideltes“ Wesen Szenenbeifall entgegennehmen. Karlheinz Erichsen gab den Sommergast und Oberregierungsrat Hasselmann, der schließlich seine Geschicktheit wie ein „Deus ex machina“ einsetzt. Seine beleibte Figur paßt ausgezeichnet zur Rolle, aber auch das Spiel war ansprechend und überzeugend. Seine Tochter Irmgard wurde von Anja Hansen dargestellt, sehr frisch, sehr natürlich, mit klarem Blick für das Nötige. Wulf Gröning gab den Enkel Peter Witt, ebenfalls eine rundherum anerkennenswerte Leistung. Seine direkte, etwas begriffsstutzige, aber grundehrliche Art nahm man dem Spiel und der Rolle ab.

Den Vogel aber schossen Horst Seegebarth und Olly Gröning ab: Seegebarth spielte den “Gemeindediener in Rente“ Momme Noogens, der mit List, Verschlagenheit und deftigem Humor manche Situation rettet. Hier müßte man viele Szenen einzeln erwähnen, denen der erfahrene Schauspieler mit Witz und Komödiantentum die Krone aufsetzt. Sprache, Mimik, Bewegung, Ausdruck - alles überzeugt! Und Olly Gröning ist in ihrer bedächtigen, zielstrebigen, aber doch jeder Situation gewachsenen Art ein Theaterhöhepunkt. Wie sie die Thea Witt auf die Bühne stellt, wie sie genau weiß, was sie will, das aber durchaus verbergen kann, wie sie den unterschiedlichen Menschen ihrer Umgebung verschiedenartig gegenübertritt — das war ausgezeichnet! Da war nichts aufgesetzt, nichts gekünstelt, alles entsprach ihrer Wesensart - man kann Olly Gröning als große Schauspielerin bezeichnen. Und doch fügte sie sich nahtlos in das Ensemble-Spiel ein, das mit Blumen und reichem Beifall belohnt wurde.

Reimer Pohl
Schleswiger Nachrichtenl