Narrenspeegel

Narrenspeegel

 

 

“Ik segg blots de Wohrheit”

“Narrenspeegel” bei de Schleswiger Speeldeel - Stück mit aktuellem Inhalt

 

Noch in guter Erinnerung ist das plattdeutsche Stück „Hans Brüggemann“ von Hans Ehrke, das die Schleswiger Speeldeel vor einiger Zeit aufführte. Ehrke bemüht sich, ernste plattdeutsche Stücke auf die Bühne zu stellen — jetzt war es der „Narrenspeegel“, mit dem die Speeldeel die diesjährige Saison abschließt. Wie im „Brüggemann” geht es dem Autor um die Suche nach Wahrheit, wenn er sein Bühnenstück auch „Komeedi“ nennt. Vieles ist auch komödiantenhaft, z.B. die Verbindung der Figur des Eulenspiegels mit dem alten Thema „des Kaisers neue Kleider”. Der „Narrenspeegel“ will jedem sein „Bild” zeigen, die Rolle, die er spielt und aus der er häufig gerne heraustreten möchte. Typisch: fast jeder bittet den Till Ulenspeegel, ihn ein bißchen anders zu malen, als er sich eigentlich darstellt.

Kalli Walter begrüßte im Stadttheater die Gäste in „eegen Riemels, de em merrn in de Nacht infullen weern“.

Schon in den ersten Szenen der Exposition machten die Schauspieler die Intention des Autors deutlich: jede Figur denkt und lebt in eingelaufenen Bahnen, in vorgefaßten Meinungen. Nur Ulenspeegel versucht ihnen klarzumachen, daß nicht alles so ist wie es aussieht. „Wohrheit un Speel“ stehen sich einander gegenüber, wobei das „Spiel“ für „Schein“ steht. Allein die Landgräfin, sehr einfühlsam von Wiebke Seegebarth dargestellt, scheint bereit zu sein, sich dem neuen Denken anzuvertrauen. Ausgezeichnet z.B. ihr Mienenspiel bei der Erläuterung des — nicht vorhandenen — Bildes.

Der Landgraf (Volker Schwarz) ist mit geistigen Gütern nicht reich gesegnet: durch albernes Lachen wird das deutlich. Bei dieser Darstellung wird es am klarsten, wie stark ein Mensch im vorgegebenen Rahmen verhaftet sein kann. Bei ihm bedarf es einer tiefen Erschütterung — der Freude über den angekündigten Erben —‚ daß er menschlich denkt. Schwarz machte das im Spiel recht deutlich.

Mit zur Hofgesellschaft gehört Jungfer Margret, die von Irmgard Gleue sehr menschlich und natürlich dargestellt wird. Ihr „Opfer“ hätte allerdings noch stärker herauskommen können. Ritter Hans Cord wird von Dietrich Dippel dargestellt sehr „ritterlich“, aber doch etwas starr und unbeweglich. Ein wenig mehr Geschmeidigkeit wäre gut! Der Kaplan von Werner Jungjohann ist ein echt-devoter Diener seiner Kirche: immer ein frommer Spruch oder eine Lebensweisheit auf den Lippen! Auch bei ihm wird deutlich, daß er durchaus sein Mäntelchen nach dem Winde ausrichtet.

Den Hauptpart des Till Ulenspeegels füllt Uwe Petersen mit komödiantischen Geschick und prallem Spiel aus. Er macht durch Gestik und Mimik sein Motto deutlich: „krieg de Lüüd dor to foten, wo se sick foten loten — ik segg blots de Wohrheit!“

Seine Gesellen Casper und Wessel (Reinhard Huxhold und Alfred Christians) müssen zunächst nur würfeln und trinken, zeigen dann aber doch unterschiedliche menschliche Reaktionen. Beide bieten eine gute Leistung. Auch Peter Reimerdes und Martin Kitschke, Vogt und Henker, füllen ihre Rollen zur vollen Zufriedenheit aus, die Verbindung zwischen Handlungsart und Charakter kam klar zum Ausdruck.

Das lange vieraktige Stück hat durchaus Spannungshöhepunkte, z.B. die makabre Schlußszene unter dem Galgen, aber ebenfalls manche Längen und Dehnungen. Auch schienen nicht alle Spieler stets textsicher zu sein, es gab einige „Hänger” — Regie hatte Hauke Stieger geführt, das Bühnenbild stammte von Helmut Utermann. Die Requisiten hatte Edna Maaske zusammengestellt, für die Masken war Anne-K. Stieger verantwortlich. Eine verantwortungsvolle Souffleuse war Irmela Richter, und die gut funktionierende Technik lag in Händen von Alfred Christians und Nico Kiesau. Es gab herzlichen Beifall.

Reimer Pohl
Schleswiger Nachrichten, 11.4.1989

 

 

Hebbelhaus: Schleswiger ,Speeldeel' begeisterte mit ,NarrenspeegeI'

Allen Menschen „glieks int Hart kieken”

 

Wesselburen (ap) Mit rund 100 Zuschauern war der Theatersaal im Wesselburener Heb-belhaus bis auf den letzten Platz gefüllt,    als    die    Schleswiger Amateurtheater-Gruppe „Speeldeel"   die  Komödie von Hans   Ehrke,   „Narrenspeegel" spielte. '

Die Handlung des 1925 uraufgeführten Stückes spielt zwar im Mittelalter, hat aber einen aktuellen Hintergrand: Uhlenspeegel schleicht sich auf listige Weise auf den Hof des Grafen „Overher un Narms". Dort soll er zunächst eingesperrt werden, die Leute, im Schloß werden aber neugierig und lassen sich schnell von Uhlenspeegels Witz verführen. Dem exaltierten Grafen schmeichelt Uhlenspeegel, als dieser ankündigt, ein getreues Bild vom Grafen zu zeichnen. Der Narr meint das natürlich im übertragenen Sinne, er will auch dem Kaplan, der gelangweilten Gräfin, dem stolzen Ritter und der Hofdame Margret „den Spiegel vorhalten". Die Hofleute glauben, Uhlenspeegel wolle ein Gemälde anfertigen, und wollen ihn nun, jeder mit seinen Mitteln, bestechen, das Abbild zu schönen.

Uhlenspeegel „kiekt allen glieks int Hart", und es gelingt ihm schließlich, den Menschen seiner Umgebung ihre Fehler zu zeigen, ohne sie dabei zu vernichten.

Die 17köpfige Gruppe spielte unter der Regie von Hauke Stieger in liebevoll ausgestalteten Kostümen und einer reizenden Kulisse (Bühnenbild: Helmut Utermann). Köstlich wurde der Graf dargestellt, der in einem weißen Kostüm und mit 20 großen Fingerringen einem eitlen Schwan glich. Mit seinen gezierten Bewegungen und dem künstlichen Lachen erheiterte der Graf das Publikum ebenso, wie der riesige Ritter mit seinem tapsigen Gebaren.

Dithmarscher Landeszeitung