Verdreihte Verwandtschop
Speeldeel: "Verdreihte Verwandtschop"
Auftakt der Spielzeit im Stadttheater mit dem Erhard-Asmus-Stück
Die erste Premiere in der neuen Spielzeit ist immer etwas Besonderes: so herrschte am Sonnabend im Schleswiger Stadttheater eine gespannte Erwartung, als Kalli Walter das Publikum mit "Moin, moin" begrüßte. Das Haus war nicht ganz gefüllt. Die "Schleswiger Speeldeel" hatte zur Bauernkomödie "Verdreihte Verwandtschop" von Erhard Asmus eingeladen.
Das Thema ist alt: ein heruntergewirtschafteter Bauernhof soll an einen Spekulanten verkauft werden, doch es geht doch alles gut aus, dank der "verdreihten Verwandtschop". Die Verpackung aber war neu: das lag vor allem an der intensiven Durchforstung des Stückes, die Uwe Petersen vorgenommen hatte; den dritten Akt z. B. hat er ziemlich verändert. So kam ein spritziges, lockeres Spiel heraus, das - Uwe Petersen selbst führte Regie - ein voller Erfolg wurde.
Daran hatten nicht nur die Schauspieler ihren Anteil. Auch das Bühnenbild von Alfred Christians, der außerdem die Technik besorgte, die Masken und Frisuren von Anne-Kathrein Stieger sowie die unauffällige Tätigkeit der Souffleuse Gisela Erichsen sind für die Qualität der Aufführung mitverantwortlich.
Augenfälliger war natürlich die Handlung auf der Bühne: da ist in erster Linie Horst Seegebarth zu nennen, der voll überzeugend den Grotknecht Jochen Bruusbort spielt. Schon seine erste Solo-Szene "kam an", seine natürliche, niemals aufgesetzt wirkende Art ging voll in das Gesamtgeschehen ein und setzte doch unübersehbare witzige Akzente. In keinem Fall brauchte er zu übertreiben; köstlich sein Gehabe im ungewohnten schwarzen Anzug oder sein Minen- und Gestenspiel im dritten Akt.
Ihm in nichts nach steht Olly Gröning, die die "Grootdeern" Trin Puck darstellt. Menschlich, mütterlich, ein weicher Kern in einer rauhen Schale - das weiß sie gut darzustellen. Beinahe ergreifend ihr Zwiegespräch mit Friedel zu Beginn des 2. Aktes - diese Fähigkeiten gehen fast schon über das Amateurhafte hinaus.
Ingrid Back spielt herzerfrischend, derb und grob - aber niemals verletzend - die Zeitungsfrau Jule Snackfatt - ein waschechtes "Snackfatt", mit schönen Gags und ausgeschöpfter Situationskomik!
Anja Schmidt stellte die „Lüttdeern“ Friedel auf die Bühne, zuerst ein wenig befangen, dann aber frisch und natürlich Auch sie weiß sehr differenzierte Töne zu finden zwischen dem unbekümmerten Bauernmädchen und der liebenden Frau, und als sie fast zur Hauptperson wird, da kann sie auch das echt und unaufdringlich darstellen.
Den "Buer vun Steenhoff' Jörn Steer spielt Alfred Christians. Auch er wirkt echt und menschlich, könnte aber insgesamt noch mehr aus sich herausgehen: so wohl bei der Scham über Versagen und Pleite als auch bei der Freude über das Glück und die hoffnungsvolle Zukunft. Sprache und Gestik sind einwandfrei.
Seine kurzzeitige Braut Lore, die "Deern ut de Stadt", spielt Ute Coordts. Eine undankbare Rolle: Frau Coordts darf nur hochdeutsch sprechen und ist im ganzen Milieu ein absoluter Fremdkörper, der wenig Sympathien auf sich ziehen kann. In überdeutlichen Farben macht die Schauspielerin das klar.
Karlheinz Erichsen mimt den Spekulanten und Grundstücksmakler Adelber Speck, der sich später als gar nicht so rigoros erweist wie angenommen. Auch er spricht ein einwandfreies Plattdeutsch. Mimik und Gestik sind zutreffend.
Die kleine Rolle des Jungbauern Harm Klausen spielt Martin Kitschke, der noch ein wenig Hilfe von der Regie braucht. Seine Bewegungen sind noch zu starr und wirken hölzern; als abgewiesener Freier müßte er mehr Emotionen zeigen. Aber auch bei ihm ist die Sprache zu loben.
So war es ein heiteres, spritziges und flottes Geschehen, das da auf der Bühne ablief. Die Zuschauer dankten mit langanhaltendem Beifall, es gab viele Blumen.
Reimer Pohl
Schleswiger Nachrichten, 3.10.1989