Maria Magdalena

Maria Magdalena

Schweres Stück überzeugend dargeboten

 

 

 

Die Schleswiger Speeldeel hat es sich zur Aufgabe gemacht, in jeder Spielzeit etwas "Besonderes" zu bringen - zumeist ist es ein ernstes Stück. Diesmal war es "Maria Magdalena" von Friedrich Hebbel. Curt Timm hat das bürgerliche Trauerspiel in ein Plattdeutsch übertragen, das sich eng an das Original anlehnt und doch Raum läßt für die typischen Zwischentöne.

Hebbel hat den Namen "Maria Magdalena", der biblischen reuigen Sünderin, als Symbol für seine Hauptgestalt Klara gewählt, symbolträchtig ist das ganze Stück- voll von Gefühlen und kaltherziger Moralität, die heute fast unerträglich scheint. In der Regie von Hauke Stieger kamen die von Hebbel angelegten Charaktere klar zur Geltung: der Sohn Karl (Alfred Christians) hart, abweisend und gefühllos; er ist erst dann zu menschlicheren Tönen fähig, als er sich innerlich aus der Welt der moralisierenden Strenge seines Vaters gelöst hat. Seine Mutter, gespielt von Anne Schmidt (die insgesamt zu leise spricht), ist eine todkranke, gefühlsbetonte Frau, die darin Unrecht tut, daß sie den Sohn zu weich anfaßt. Der Schreiber Leonhard, von Herwig Jürgensen trefflich dargestellt, ist kalt, berechnend und egoistisch - er spielt mit der Liebe seiner Braut. Reinhard Huxhold, der den Sekretär Friedrich spielt, den Jugendfreund Klaras, paßt sich nahtlos in das Gesamtkonzept ein: mit sparsamen Bewegungen läßt er sein Spiel durch die Intensität der Sprache und des Ausdrucks lebendig werden. Peter Reimerdes spielt den Kaufmann Wolfram - auch er kann seine Probleme glaubhaft machen. In kleineren Rollen wirken Helmut Finger und Maik-Felix Gomm (Gerichtsdiener), Edna Maaske (Magd) und Jens-Ove Schmidt (Junge) mit. Die Hauptlast ruht aber auf den beiden Hauptdarstellern. Karin Jacobsen gibt der Klara sehr menschliche Konturen: von allen im Stich gelassen, sich ihrer selbst unsicher, weiß sie keinen Ausweg als den Sprung in den Brunnen. Den Meister Anton, der "die Welt nicht mehr versteht", spielt Uwe Petersen: hart, starr, streng, aber fromm und ehrlich, auch selbstgerecht und unbeugsam, voll von Prinzipientreue. Darin wird er dann wieder ungerecht und lieblos - Petersen weiß viele Nuancen und Zwischentöne anzuschlagen; zum tiefen Eindruck der Aufführung hat er maßgeblich beigetragen. Helmut Utermann hatte das Bühnenbild besorgt, für die Masken war Anne-Kathrein Stieger verantwortlich, die Technik hatte Alfred Christians übernommen, und Souffleuse war Edna Maaske. Nach der Premiere, die mit reichem Beifall und vielen Blumen belohnt wurde, gab es noch zwei Ehrungen. Hauke Stieger und Uwe Petersen konnte ihr Jubiläum "25 Jahre auf der Bühne" feiern. Werner Jungjohann überreichte ihnen die Silberne Ehrennadel des Verbandes Deutscher Amateur-Theater sowie den Ehrenteller der Schleswiger Speeldeel.

REIMER POHL

 Schleswiger Nachrichten, 2.4.1990

 

 

Kulturpreis für niederdeutsche Bühnen 1990


Lange Zeit schon trug Hauke Stieger als künstlerischer Leiter der Schleswiger Speeldeel den Gedanken mit sich herum, Friedrich Hebbels bürgerliches Trauerspiel "Maria Magdalena" zu inszenieren. Wie würde das Publikum ein Schauspiel aus dem letzten Jahrhundert mit heute längst überholten (?) Moralvorstellungen aufnehmen?

Den Anstoß zur Inszenierung gab dann schließlich die Hebbelgesellschaft in Wesselburen, die bei der "Vermarktung" des Stückes behilflich war und somit verhinderte, daß das Stück für die Schleswiger Speeldeel in den roten Zahlen endet.

Für alle die, die Hebbels Stück nicht in der Schule behandelt oder es wieder vergessen haben, hier kurz der Inhalt: Der Tischlermeister Anton stellt an sich und seine Familie äußerst hohe moralische Ansprüche. Diesen Druck kann der Sohn Karl nicht aushalten und weicht in ein leichtfertiges Leben aus. Dabei gerät er in den Verdacht, einen Diebstahl begangen zu haben. Als die Familie von dem Verdacht erfährt, erliegt die Mutter einem Herzschlag. Im Angesicht der toten Mutter läßt Anton seine Tochter Klara schwören, daß sie ihm niemals Schande antut, andernfalls werde er sich das Leben nehmen. Klara kommt damit in einen sehr schweren Konflikt, denn sie hat dem Drängen ihres Verlobten nachgegeben und ist schwanger. Ihrem Vater kann sie sich nun nicht mehr anvertrauen. Ihr Verlobter läßt sie sitzen, weil er um seine Karriere fürchtet. Ein Jugendfreund, der Klara immer noch liebt, will sie heiraten, wird aber bei einem Duell getötet. Klara sieht keinen Ausweg mehr, als ihrem Leben selbst ein Ende zu bereiten.

Hebbel hat zu dem Stück geschrieben: “im Hintergrund bewegen sich Ideen der Familie, der Sittlichkeit, der Ehre, mit ihren Tag- und Nachtseiten, und Konsequenzen dämmern auf, die wohl erst in Jahrhunderten in den Lebenskatechismus Aufnahme finden werden." Und somit ist der Bezug zur Gegenwart hergestellt. Die Problematik um Ehre und Moral sind auch heute noch aktuell, wenn sicherlich die Schwerpunkte heute anders liegen.

Das Schleswiger Publikum nahm das Stück bei der Premiere am 31. März begeistert auf. Lang anhaltender Beifall zeigte, daß auch ernste Stücke im niederdeutschen Theater ihre Berechtigung haben.

Mit dieser Aufführung hatte die Schleswiger Speeldeel sich auch um den Kulturpreis für niederdeutsche Bühnen beworben, der alle drei Jahre von den Lübecker Nachrichten ausgeschrieben wird. Unser Landesverband durfte eine Bühne benennen, die er in den Wettbewerb schicken wollte. Daß die Theaterkommission sich für "Maria Magdalena" entschied, hat die Schleswiger Spieler doch ein wenig mit Stolz erfüllt.

In Lübeck durfte die Schleswiger Speeldeel dann Ende April gegen die niederdeutschen Bühnen Lübeck und Osterholz-Scharmbek antreten, die von ihren Landesverbänden ins Rennen geschickt waren. Am 5. Mai war es dann soweit: Preisverleihung im Lübecker Rathaus. In einem gelungenen Rahmenprogramm aus Musik und Festvorträgen wurden in Anwesenheit von viel Prominenz, u.a. Ministerpräsident Engholm, die Preise verliehen. Die Schleswiger Speeldeel errang hinter der Niederdeutschen Bühne Lübeck den zweiten Preis. Für uns besonders erfreulich aber war, daß Uwe Petersen mit der Silbernen Maske für die beste männliche Hauptrolle für seine Darstellung des Meisters Anton ausgezeichnet wurde.

Das Stück wird in die nächste Spielzeit übernommen.

Horst Seegebarth

Quelle: Blick zur Bühne Nr 28, Juni 1990

 

Aus den Begründungen für die Preisvergabe

Mit dieser Aufführung eines Klassikers hat die engagierte Speeldeel aus Schleswig bewiesen, daß auch Amateure keinen Grund haben, sich vor schwierigen Aufgaben zu verstecken. Die Jury bewertete den Mut der Bühne, sich mit einem solchen Schauspiel zu befassen, das an alle Mitwirkenden hohe Anforderungen stellt. Sie zeigten eine für Amateurtheater bemerkenswerte Aufführung. - Die Entscheidung der Jury war einstimmig.
Uwe Petersen verkörperte diesen in seinen Konventionen gefangenen Tischler mit der Sturheit des knorrigen Patriarchen und spielte darüber hinaus alle menschliche Tragik aus - eine ganz sicher gestaltete und auch bewegende Leistung.

 

 

De Rullen un de Speeler

 

 

 

Meester Anton,een Dischler

 

Uwe Petersen

Sien Fro

 

Anne Schmidt

Klara, sien Dochter

 

Karin Jacobsen

Karl, sien Söhn

 

Alfred Christians

Leonhard

 

Herwig Jürgensen

Een Sekretär

 

Reinhard Huxhold

Wolfram,een Koopmann

 

Peter Reimerdes

Adam,een Gerichtsdeener

 

Helmut Finger

Noch eenGerichtsdeener

 

Maik-Felix Gomm

Een Jung

 

Jens-Ove Schmidt

Een Magd

 

Edna Maaske

 

 

 

Intrimmt hett

 

Hauke Stieger

Speeldeel inricht

 

Helmut Utermann

Haar un Snutenwark

 

Anne-Kathrein Stieger

Technik makt

 

Alfred Christians

Toseggen deit

 

Edna Maaske